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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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zum Entzücken.
    Oh! erwiderte Albert, Sie irren. Das ist meine Mutter, die Sie ja noch nicht gesehen haben. Die Tracht ist, wie es scheint, ein Phantasiekostüm, und die Ähnlichkeit ist so groß, daß ich meine Mutter noch vor mir zu sehen wähne, wie sie im Jahre 1830 war, als sie dieses Porträt während einer Abwesenheit des Grafen malen ließ. Seltsamerweise mißfiel das Porträt meinem Vater, und der große Kunstwert des Gemäldes ließ ihn den Widerwillen nicht überwinden, den er dagegen gefaßt hatte. Allerdings ist Herr von Morcerf, unter uns gesagt, einer der eifrigsten Politiker, ein berühmter General, aber ein äußerst mäßiger Kunstkenner. Anders meine Mutter, die sehr gut malt, und da sie ein solches Werk zu sehr schätzt, um sich gänzlich davon trennen zu können, hat sie es mir gegeben, damit es Herrn von Morcerf, dessen Porträt ich Ihnen übrigens auch zeigen werde, seltener vor Augen komme. Meine Mutter jedoch kommt selten zu mir, ohne es zu betrachten, und noch seltener geschieht es, daß sie das Bild betrachtet, ohne zu weinen. Übrigens ist die Wolke, die durch dieses Gemälde in unser Haus kam, die einzige, die sich zwischen dem Grafen und der Gräfin erhoben hat, denn sie sind, obgleich seit mehr als zwanzig Jahren verheiratet, noch heute so sehr eins wie am ersten Tage.
    Monte Christo warf einen raschen Blick auf Albert, als wollte er unter seinen Worten eine verborgene Absicht suchen, aber der junge Mann hatte sie offenbar völlig absichtslos ausgesprochen.
    Nun haben Sie alle meine Reichtümer gesehen, fuhr Albert fort; erlauben Sie mir, Herr Graf, sie Ihnen anzubieten, so unwürdig sie auch sein mögen. Betrachten Sie sich als hier zu Hause, und um noch heimischer zu werden, haben Sie die Güte, mich zu Herrn von Morcerf zu begleiten, dem ich von Rom den Dienst, den Sie mir geleistet, mitgeteilt. und den Besuch, den Sie mir versprochen, angekündigt habe. Ich darf wohl sagen, der Graf und die Gräfin erwarten mit Ungeduld den Zeitpunkt, wo sie Ihnen danken können. Sie haben hierfür wenig Sinn; ich weiß das, Herr Graf, und Familienszenen üben keine große Wirkung auf Simbad den Seefahrer aus, der so viele andere Szenen gesehen hat. Nehmen Sie indessen, was ich Ihnen bieten kann, als Eingang in das Pariser Leben an, in ein Leben voll Höflichkeitsbesuche und Vorstellungen.
    Monte Christo verbeugte sich, ohne zu antworten; er nahm den Vorschlag ohne Begeisterung und ohne Widerstreben an ... wie eine Pflicht des Anstandes, der sich jeder unterwerfen muß. Albert rief seinen Kammerdiener und befahl ihm, Herrn und Frau von Morcerf den Grafen von Monte Christo zu melden; dann folgte er ihm mit dem Grafen.
    Als man in das Vorzimmer des Grafen gelangte, sah man über der Tür des Salons ein Wappenschild; der Graf blieb vor dem Wappen stehen, schaute es aufmerksam an und fragte: Ohne Zweifel das Wappen Ihrer Familie, Vicomte? Ich bin sehr unwissend in der Wappenkunde.
    Sie haben richtig erraten, es sind die Wappen meines Vaters und meiner Mutter, antwortete Morcerf mit dem einfachen Tone der Überzeugung. Von weiblicher Seite bin ich Spanier, doch das Haus Morcerf ist französisch und, wie ich sagen hörte, eines der ältesten im südlichen Frankreich.
    Ja, sagte der Graf, das deuten die Amseln in den Wappen an. Fast alle Kreuzfahrer wählten als Wappen entweder Kreuze oder Wandervögel. Einer Ihrer väterlichen Ahnen wird einen Kreuzzug mitgemacht haben, und nehmen wir auch an, es sei einer der letzten Züge unter Ludwig dem Heiligen gewesen, so führt dies Ihren Adel schon in das dreizehnte Jahrhundert zurück, was immerhin ein hübsches Alter ist. Sie stammen also zugleich von der Provence und von Spanien her, wodurch sich, wenn das Porträt, das Sie mir gezeigt haben, ähnlich ist, die schöne braune Farbe erklärt, die ich so sehr auf dem Antlitz der edeln Katalonierin bewunderte.
    Die Ironie, die in diesen Worten lag, die scheinbar das Gepräge der größten Höflichkeit an sich trugen, war schwer zu erraten; Morcerf dankte ihm auch mit einem Lächeln, ging voran und öffnete eine in den Salon führende Tür. An der am meisten in das Auge fallenden Stelle dieses Salons sah man ebenfalls ein Porträt; es war das eines Mannes von etwa sechsunddreißig Jahren in Generalsuniform mit dem Bande der Kommandeure der Ehrenlegion, dem Stern des Großoffiziers vom Erlöser-Orden und dem Großkreuz des Ordens Karls III.
    Monte Christo beschäftigte sich eben damit, dieses Porträt mit derselben

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