Der Graf von Monte Christo
mehr hell, und man könnte sich irren.
Während dieser Verhandlung war es wirklich Nacht geworden, und mit der Nacht war der Sturm gekommen, der seit einer halben Stunde loszubrechen drohte. Man hörte den Donner dumpf in der Ferne grollen; aber ganz und gar vom Dämon des Gewinnes besessen, schienen sich weder der Juwelier noch die Carconte darum zu bekümmern. Ich selbst fühlte mich ganz geblendet bei dem Anblick von all diesem Gold und all den Banknoten. Es kam mir vor, als träumte ich.
Caderousse zählte wiederholt das Gold und die Scheine, die der Juwelier auf den Tisch gezählt hatte, und gab dann beides seiner Frau, die ebenfalls alles durchzählte. Mittlerweile ließ der Juwelier den Diamanten unter dem Strahle der Lampe spiegeln.
Nun, ist die Rechnung richtig? fragte der Händler.
Ja, antwortete Caderousse, und nun, obgleich Sie uns vielleicht zehntausend Livres zu wenig gezahlt haben, wollen Sie mit uns zu Nacht speisen? Es kommt von gutem Herzen.
Ich danke, erwiderte der Juwelier. Es ist bereits spät, und ich muß nach Beaucaire zurück, sonst wird meine Frau unruhig. Bei Gott, es ist bald neun Uhr, ich werde vor Mitternacht nicht in Beaucaire sein. Gott befohlen, Kinder.
Ein Donnerschlag erdröhnte, begleitet von einem so grellen Blitze, daß beinahe die Lampe verdunkelt wurde.
Oh! sagte Caderousse, bei diesem Wetter wollen Sie fort? – Ich fürchte mich nicht vor dem Donner, versetzte der Juwelier. – Und vor den Räubern? fragte die Carconte. Die Straße ist während der Messe nie sicher. – Oh! was die Räuber betrifft, entgegnete der Händler, da ist etwas für sie. Und er zog ein paar kleine, bis an die Mündung geladene Pistolen aus der Tasche. Das sind Hunde, die zugleich bellen und beißen, sie sind für die beiden ersten bestimmt, die es nach Eurem Diamanten gelüsten sollte, Vater Caderousse.
Caderousse und seine Frau wechselten einen finstern Blick. Sie hatten, wie es schien, gleichzeitig einen furchtbaren Gedanken.
Dann glückliche Reise, sagte Caderousse.
Ich danke, erwiderte der Juwelier, nahm seinen Stock und wollte sich entfernen. In dem Augenblick, wo er die Tür öffnete, drang ein so heftiger Windstoß in die Stube, daß er beinahe die Lampe ausgelöscht hätte.
Oh! oh! sagte er, ein schönes Wetter, und drei Stunden Weg bei einem solchen Sturme! – Bleiben Sie hier, schlafen Sie bei uns! versetzte Caderousse. – Ja, bleiben Sie, sagte Carconte mit zitternder Stimme, wir sorgen für Sie. – Nein, ich muß in Beaucaire schlafen. Gott befohlen.
Caderousse ging langsam bis zur Schwelle.
Man sieht weder Himmel noch Erde, sagte der Juwelier, bereits halb außer dem Hause. Muß ich mich links oder rechts halten? – Rechts, antwortete Caderousse, Sie können nicht fehlen, die Straße ist auf beiden Seiten mit Bäumen besetzt. – Schließe doch die Tür! rief die Carconte, ich liebe offene Türen nicht, wenn es donnert! – Und wenn Geld im Hause ist, nicht wahr? entgegnete Caderousse, den Schlüssel zweimal im Schlosse drehend.
Er kam zurück, ging an den Schrank, nahm den Sack und das Portefeuille heraus, und beide fingen an, zum dritten Male ihr Gold und ihre Scheine zu zählen. Ich habe nie einen Ausdruck gesehen, wie den dieser gierigen, von der spärlichen Lampe beleuchteten Gesichter. Die Frau besonders war abscheulich, ihr gewöhnliches fiebriges Zittern hatte sich noch gesteigert. Ihr Gesicht war leichenfarbig geworden, ihre hohlen Augen flammten.
Warum hast du ihm ein Nachtlager hier angeboten? fragte sie mit dumpfem Tone. – Um ... damit ... antwortete Caderousse bebend, damit er bei dem Wetter nicht nach Beaucaire zurückzukehren brauchte. – Ah! sagte die Carconte mit einem Tone, der sich nicht beschreiben läßt; ich glaubte, es geschehe aus einem andern Grunde. – Weib! Weib! rief Caderousse, warum hast du solche Gedanken, und warum behältst du sie nicht für dich? – Gleichviel, sagte die Carconte, du bist kein Mann. – Warum? – Wärest du ein Mann, so würde er nicht von hier weg gekommen sein. – Weib! – Oder er würde wenigstens Beaucaire nicht erreichen. – Weib! – Die Straße macht eine Biegung, er muß der Straße folgen, während sich längs dem Kanal ein kürzerer Weg hinzieht. – Weib, du beleidigst den guten Gott. Halt, horch!
Man hörte in der Tat einen furchtbaren Donnerschlag, während ein Blitz die ganze Stube mit einer bläulichen Flamme übergoß, doch langsam abnehmend schien sich der Donner nur ungern von dem
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