Der Graf von Monte Christo
können.
Jedoch die Spekulation schlug fehl, und der Käufer des Küchengartens verpachtete den Platz an einen Gemüsegärtner, der nur Luzernen darauf wachsen ließ. Eine kleine niedrige Tür, die sich nach der noch im Plane schlummernden Straße öffnete, gewährte Eingang in dieses von Mauern umschlossene Gebiet.
Nach dem vornehmen Hause oder, wie man in Paris sagt, nach dem Hotel zu bekränzten Kastanienbäume die Mauer. Auf einer Ecke, wo das Blätterwerk so dicht war, daß das Licht kaum durchzudringen vermochte, deuteten eine steinerne Bank und Gartensitze auf einen Lieblingswinkel für irgend einen Bewohner des hundert Schritte davon entlegenen Hotels, das wegen des grünen, umhüllenden Walles kaum wahrzunehmen war. Die Wahl dieses geheimnisvollen Asyls rechtfertigte sich durch die Abwesenheit der Sonne, durch die angenehme Frische, durch das Gezwitscher der Vögel und durch die Entfernung des Hauses und der Straße.
Gegen Abend an einem der heißesten Tage des Frühjahrs lagen auf dieser Steinbank ein Buch, ein Sonnenschirm, ein Arbeitskorb und ein Batisttaschentuch, dessen Stickerei angefangen war; und nicht weit von dieser Bank stand am Gitter vor den Brettern, das Auge an den durchsichtigen Verschlag haltend, eine junge Frau, deren Blick durch eine Spalte den noch öden Raum überlief.
Fast in demselben Augenblick schloß sich geräuschlos die Tür dieser kleinen Wüste, und ein junger Mann, groß, kräftig, in einer Bluse von roher Leinwand, eine Samtmütze auf dem Kopf, dessen schwarzer Bart und schwarze, sorgfältig gepflegte Haare jedoch ein wenig mit dieser Volkstracht im Widerspruch standen, trat, nachdem er einen raschen Blick umhergeworfen hatte, um sich zu versichern, daß ihn niemand beobachte, herein und wandte sich mit raschen Schritten nach dem Gitter.
Bei dem Anblicke dessen, den sie erwartete, aber wahrscheinlich nicht in dieser Tracht, erschrak das Mädchen und wich ein wenig zurück.
Aber der junge Mann hatte durch die Spalte der Tür mit jenem Blicke, der nur Liebenden eigen ist, das weiße Kleid und das lange blaue Gürtelband flattern sehen; er eilte nach dem Verschlage, legte seinen Mund an eine Öffnung und sagte mit halblauter Stimme: Fürchten Sie sich nicht, Valentine, ich bin es.
Die Genannte näherte sich und sagte: Oh, warum sind Sie heute so spät gekommen? Wissen Sie, daß wir bald zu Mittag essen, und daß es großer Täuschungskunst und Hurtigkeit bedurfte, um von meiner Stiefmutter, die mich belauert, meiner Kammerfrau, die mich bespäht, meinem Bruder, der mich quält, freizukommen und hier an dieser Stickerei zu arbeiten? Sobald Sie sich für Ihr Zögern entschuldigt haben, werden Sie mir sagen, was dieses neue Kostüm, in dem ich Sie beinahe nicht erkannt hätte, bedeuten soll.
Teure Valentine, erwiderte der junge Mann, meine Liebe zu Ihnen ist zu groß, als daß ich hiervon noch sprechen sollte, und dennoch fühle ich, so oft ich Sie sehe, das Bedürfnis, Ihnen zu sagen, daß ich Sie anbete, damit das Echo meiner eigenen Worte Ihr Herz liebkosen möge, wenn ich Sie nicht mehr sehe. Nun danke ich Ihnen für Ihr Schmälen; es ist ganz bezaubernd, denn es beweist mir, daß Sie mich erwarteten und an mich dachten. Sie wollen die Ursache meiner Zögerung und den Beweggrund meiner Verkleidung wissen, ich werde Ihnen beides sagen und hoffe, Sie entschuldigen mich: ich habe mir einen Stand erwählt.
Einen Stand? ... Was wollen Sie damit sagen, Maximilian? Sind wir denn so glücklich, daß Sie über unsere Lage scherzen?
Oh! Gott soll mich bewahren, daß ich mit dem, was mein Leben ausmacht, Scherz treibe. Aber des Mauerkletterns überdrüssig und ernstlich erschrocken über den eines Abends von Ihnen ausgesprochenen Gedanken, Ihr Vater würde mich früher oder später als Dieb vor Gericht ziehen, was die Ehre der ganzen französischen Armee verletzen müßte, dazu erwägend, daß man sich wundern könnte, in dieser Gegend, wo es nicht die geringste Zitadelle zu belagern oder das kleinste Blockhaus zu verteidigen gibt, einen Kapitän der Spahis sich herumtreiben zu sehen, bin ich Gemüsegärtner geworden und habe natürlich die Tracht meines Gewerbes angenommen.
Welch eine Tollheit!
Im Gegenteil, es ist, wie ich glaube, das vernünftigste, was ich in meinem ganzen Leben getan habe, denn es verleiht uns vollkommene Sicherheit.
Erklären Sie sich deutlicher!
Wohl, ich habe den Eigentümer dieses Platzes aufgesucht; der Vertrag mit den ehemaligen Pächtern war
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