Der Graf von Monte Christo
und dessen Herz ohne Zweifel mit einem Überreste von Wärme für mich schlägt. Bitterer Hohn des Geschicks, das mich zur Feindin und zum Opfer aller derer macht, die stärker sind als ich, und mir einen Leichnam zur Stütze und zum Freunde gibt! Oh wahrlich, Maximilian, ich wiederhole Ihnen, ich bin sehr unglücklich, und Sie haben recht, wenn Sie mich um meiner selbst willen und nicht um Ihretwillen lieben.
Valentine, sagte der junge Mann, mit tiefer Rührung, ich sage nicht, daß ich Sie allein auf der Welt liebe, denn ich liebe auch meine Schwester und meinen Schwager, aber mit einer sanften, ruhigen Liebe, die in keiner Hinsicht dem Gefühle gleicht, das ich für Sie hege: Wenn ich an Sie denke, wallt mein Blut, schwillt meine Brust, strömt mein Herz über; doch diese Kraft, diese Glut, diese übermenschliche Macht, ich werde sie anwenden, um Sie bis zu dem Tage zu lieben, wo Sie mir sagen, ich solle sie in Ihrem Dienste verwenden. Herr Franz d'Epinay wird, wie ich höre, noch ein Jahr abwesend sein; wie viele günstige Wechselfälle können in einem Jahre zu unsern Gunsten eintreten! Wie viele Ereignisse können uns unterstützen! Hoffen wir also, es ist so schön und süß, zu hoffen! Doch mittlerweile, Valentine, was sind Sie, die Sie mir meine Selbstsucht zum Vorwurf machen, was sind Sie für mich gewesen? Die schöne und kalte Bildsäule der züchtigen Venus. Was haben Sie mir im Austausch für diese Ergebenheit, für diesen Gehorsam, für diese Zurückhaltung versprochen? Nichts; was haben Sie mir bewilligt? Sehr wenig. Sie erwähnen gegen mich des Herrn d'Epinay als Ihres Verlobten und seufzen bei dem Gedanken, eines Tages ihm zu gehören. Sprechen Sie, Valentine, ist das alles, was Sie im Gemüte tragen? Wie! ich verpfände Ihnen mein Leben, ich gebe Ihnen meine Seele, ich widme Ihnen auch den unbedeutendsten Schlag meines Herzens, und während ich Ihnen ganz gehöre, während ich mir ganz leise sage, daß ich sterben werde, wenn ich Sie verliere, erschrecken Sie nicht schon bei dein bloßen Gedanken, eines andern Gattin zu sein? Oh Valentine! Wenn ich wäre, was Sie sind, wenn ich mich geliebt fühlte, wie Sie sich zweifellos geliebt fühlen müssen, so hätte ich schon hundertmal meine Hand zwischen den Stangen dieses Gitters durchgestreckt, die Hand des armen Maximilian gedrückt und ihm gesagt: Dir allein, Maximilian, in dieser und in der andern Welt.
Valentine antwortete nicht, aber der junge Mann hörte sie seufzen und weinen.
Rasch trat bei ihm die Gegenwirkung ein.
Oh, Valentine, Valentine! rief er, vergessen Sie meine Worte, wenn darin etwas für Sie Beleidigendes liegt!
Nein, sagte sie, Sie haben recht; aber sehen Sie nicht, daß ich ein armes Geschöpf bin, das so gut wie in einem fremden Hause leben muß? Mein Vater ist mir wirklich fast fremd, und mein Wille wird seit zehn Jahren, Tag für Tag, Minute für Minute durch den eisernen Willen von Gebietern gebrochen, deren Hand unendlich schwer auf mir liegt. Niemand sieht, was ich leide, und ich habe es auch außer Ihnen niemand gesagt. Scheinbar und in den Augen der Welt ist alles gut, ist alles liebevoll gegen mich, in Wirklichkeit aber ist mir alles feindselig. Die Welt sagt: Herr von Villefort ist zu ernst und zu streng, um sehr zärtlich gegen seine Tochter zu sein; aber sie hat wenigstens das Glück, in Frau von Villefort eine zweite Mutter zu finden. Die Welt täuscht sich, mein Vater ist völlig gleichgültig gegen mich, meine Stiefmutter haßt mich mit um so größerer Erbitterung, als sie diese durch ein beständiges Lächeln glaubt verschleiern zu müssen.
Sie hassen? Sie, Valentine! Und wie kann man Sie hassen?
Ach! mein Freund, ich muß gestehen, daß dieser Haß gegen mich von einem an sich sehr natürlichen Gefühle herrührt. Sie betet ihren Sohn, meinen Bruder Eduard, an. – Nun?
Es kommt mir zwar sonderbar vor, daß ich eine Geldfrage in unser Gespräch mischen soll; aber ich glaube, mein Freund, daß ihr Haß davon herrührt. Da sie kein eigenes Vermögen hat, da ich bereits durch die Erbschaft meiner Mutter reich bin und sich dieses Vermögen noch durch das, welches mir eines Tages von Herrn und Frau von Saint-Meran zukommen muß, mehr als verdoppeln wird, so glaube ich, daß sie neidisch ist. Oh, mein Gott! wenn ich ihr die Hälfte dieses Vermögens geben und mich dann bei Herrn Villefort wie eine Tochter im Hause ihres Vaters befinden könnte, ich würde es auf der Stelle tun.
Arme Valentine!
Ja, ich fühle
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