Der Graf von Monte Christo
abgelaufen, und ich pachtete den Garten für mich. Alle diese Luzernen gehören mir, Valentine, und nichts hindert mich, mir eine Hütte unter diesem Gebüsch bauen zu lassen und fortan zwanzig Schritte von Ihnen zu leben. Oh! diese Freude, dieses Glück, ich weiß mich nicht zu fassen! Scheint Ihnen, Valentine, dies nicht unbezahlbar? Und diese ganze Seligkeit, dieses ganze Glück, diese ganze Freude, wofür ich zehn Jahre meines Lebens gegeben hätte, kosten mich, erraten Sie wieviel? ... Fünfhundert Franken jährlich, zahlbar in vierteljährlichen Raten. Sie sehen also, es ist in Zukunft nichts mehr zu befürchten. Ich befinde mich hier auf meinem eigenen Grund und Boden, kann Leitern an meine Mauer stellen und hinüberschauen und bin berechtigt, Ihnen zu sagen, daß ich Sie liebe, solange sich Ihr Stolz nicht verwundet fühlt, wenn er dieses Wort aus dem Munde eines armen Tagelöhners mit Bluse und Mütze vernimmt.
Valentine stieß einen leichten Schrei freudigen Erstaunens aus, erwiderte aber bald traurig, und als hätte eine eifersüchtige Wolke plötzlich den Sonnenstrahl verschleiert, der ihr Herz erleuchtete: Ach! Maximilian, wir sind nun frei; unser Herz wird uns Gott versuchen lassen; wir werden unsere Sicherheit mißbrauchen, und unsere Sicherheit wird uns zu Grunde richten.
Können Sie mir das sagen, liebe Freundin, mir, der ich Ihnen, seitdem ich Sie kenne, jeden Tag beweise, daß ich meine Gedanken und mein Leben Ihren Gedanken und Ihrem Leben untergeordnet habe? Wer hat Ihnen Zutrauen zu mir gegeben? Nicht wahr, meine Ehre. Als Sie mir sagten, ein unbestimmter Instinkt versichere Ihnen, Sie liefen irgend eine große Gefahr, stellte ich meine Ergebenheit zu Ihren Diensten, ohne eine andere Belohnung von Ihnen zu verlangen, als das Glück, Ihnen dienen zu dürfen. Habe ich Ihnen seitdem durch ein Wort, durch ein Zeichen Veranlassung gegeben, zu bereuen, daß Sie mich unter denen auszeichnen, die glücklich gewesen wären, für Sie zu sterben? Armes Kind, Sie sagten mir, Sie seien mit Herrn d'Epinay verlobt, Ihr Vater habe diese Verbindung geschlossen, das heißt, sie wäre gewiß, denn alles, was Herr von Villefort wolle, geschehe unfehlbar. Nun, ich bin im Schatten geblieben und habe alles, nicht von meinem Willen, nicht von dem Ihrigen, sondern von den Ereignissen, von der Vorsehung Gottes erwartet, und dennoch liebten Sie mich, hatten Sie Mitleid mit mir und sagten mir dies. Ich danke Ihnen für dieses süße Wort, das ich Sie von Zeit zu Zeit zu wiederholen bitte, denn es wird mich alles vergessen lassen.
Das ist es, was Sie kühn gemacht hat, Maximilian, das ist es, was mir ein sehr süßes und zugleich sehr unglückliches Leben bereitet, so daß ich mich oft frage, was für mich besser sei, der Kummer, den mir einst die Strenge meiner Stiefmutter und die blinde Bevorzugung ihres Kindes verursachten, oder das gefahrvolle Glück, das ich bei Ihrem Anblick genieße.
Gefahrvoll! rief Maximilian; können Sie ein so hartes und ungerechtes Wort aussprechen! Sie erlaubten mir zuweilen, ein Wort an Sie zu richten, Valentine, aber Sie verboten mir, Ihnen zu folgen; ich gehorchte. Habe ich, seitdem ich Gelegenheit fand, in dieses Gehege zu schlüpfen, durch diese Tür mit Ihnen zu plaudern, so nahe bei Ihnen zu sein, ohne Sie zu sehen, – sprechen Sie, habe ich je um Erlaubnis gebeten, den Saum Ihres Kleides durch dieses Gitter berühren zu dürfen? Habe ich je einen Schritt getan, um über diese Mauer – bei meiner Jugend und meiner Kraft ein lächerliches Hindernis – zu gelangen? Nie vernahmen Sie von mir einen Vorwurf über Ihre Strenge, nie einen lauten Wunsch; ich hielt blindlings fest an meinem Wort, wie ein Ritter in den alten Zeiten. Gestehen Sie dies wenigstens zu, damit ich Sie nicht für ungerecht halte.
Das ist wahr, sagte Valentine, ihm zwischen zwei Brettern hindurch die Spitze eines ihrer zarten Finger bietend, auf die Maximilian seine Lippen drückte; es ist wahr, Sie sind ein redlicher Freund. Aber Sie haben am Ende nur aus Berechnung so gehandelt, mein lieber Maximilian; Sie wußten, daß der Sklave von dem Tage an, wo er begehrlich würde, alles verlieren müßte. Sie haben mir die Freundschaft eines Bruders versprochen, mir, die keine Freunde besitzt, mir, die vom Vater vergessen, von der Stiefmutter verfolgt wird; mir, die als einzigen Trost nur den unbeweglichen, stummen, eisigen Greis hat, dessen Hand meine Hand nicht drücken kann, dessen Auge allein zu mir spricht
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