Der Graf von Monte Christo
Zweifel haben Sie einen Korrespondenten in Janina? – In Janina? Ja! – Gut, so schreiben Sie an ihn und fragen ihn, welche Rolle in der Katastrophe von Ali Tependelini ein Franzose namens Fernand gespielt habe.
Sie haben recht! rief Danglars rasch aufstehend; ich will noch heute schreiben.
Tun Sie dies. Und wenn Sie irgend eine belastende Nachricht bekommen ...
So teile ich sie Ihnen mit.
Sie werden mir ein Vergnügen bereiten.
Danglars eilte aus dem Zimmer und machte gleichsam nur einen Sprung in den Wagen.
Das Kabinett des Staatsanwalts.
Lassen wir den Bankier in scharfem Trabe seiner Pferde nach Hause fahren und folgen Frau Danglars bei ihrem Morgenausfluge. Sie war, wie gesagt, um halb zwei Uhr ausgefahren und ließ bei der Passage du Pout-Neuf halten. Sie stieg aus und ging durch die Passage. Ihre Kleidung war sehr einfach, wie es sich für eine Frau von Geschmack geziemt, wenn sie sich morgens auf der Straße zeigt.
In der Rue Génégaut stieg sie in einen Fiaker und bezeichnete als Ziel die Rue de Harlay. Kaum war sie in dem Wagen, als sie aus ihrer Tasche einen sehr dichten schwarzen Schleier zog, den sie an ihrem Strohhute befestigte; dann setzte sie ihren Hut wieder auf und bemerkte mit Vergnügen, als sie sich in einem kleinen Taschenspiegel beschaute, daß man von ihr nichts als ihre weiße Haut und die funkelnden Augensterne sehen konnte. Der Fiaker fuhr zum Justizpalast. Hier eilte Frau Danglars zur Treppe, stieg diese leicht hinauf und gelangte bald in den Saal des Pas-Perdus.
Am Morgen gibt es im Justizpalast sehr viel geschäftige Leute, die sich wenig umeinander kümmern. Frau Danglars durchschritt daher den Saal des Pas-Perdus, ohne von andern bemerkt zu werden, als von zwei Frauen, die hier auf ihren Advokaten warteten.
Das Vorzimmer des Herrn von Villefort war gedrängt voll von Menschen, doch Frau Danglars hatte nicht einmal nötig, ihren Namen zu nennen. Sobald sie erschien, stand ein Gerichtsdiener auf, ging ihr entgegen und fragte sie, ob sie nicht die Person sei, die der Herr Staatsanwalt beschieden habe. Auf ihre bejahende Antwort führte er sie durch einen besonderen Gang in Herrn von Villeforts Kabinett.
Der Beamte schrieb, in seinem Lehnstuhl sitzend, den Rücken der Tür zuwendend. Er hörte die Tür sich öffnen, den Diener die Worte: Treten Sie ein, gnädige Frau! aussprechen und die Tür sich wieder schließen, ohne die geringste Bewegung zu machen. Doch kaum bemerkte er, daß sich die Tritte des Gerichtsdieners verloren, als er sich rasch umwandte, die Riegel vorschob, die Vorhänge herabließ und jeden Winkel des Kabinetts untersuchte. Sobald er Gewißheit erlangt hatte, daß er weder gehört, noch gesehen werden konnte, sagte er: Gnädige Frau, meinen innigen Dank für Ihre Pünktlichkeit. Und er bot Frau Danglars einen Stuhl, den sie annahm, denn ihr Herz schlug so gewaltig, daß sie sich dem Ersticken nahe fühlte.
Es ist schon lange, sagte der Staatsanwalt, während er sich Frau Danglars gegenübersetzte, daß ich nicht mehr das Glück gehabt habe, mit Ihnen allein zu sprechen, und zu meinem großen Bedauern finden wir uns wieder zusammen, um eine sehr peinliche Unterredung zu pflegen.
Sie sehen jedoch, mein Herr, daß ich auf Ihre erste Aufforderung gekommen bin, obgleich diese Unterredung für mich noch peinlicher sein muß, als für Sie.
Es ist also wahr, sagte er, mehr auf seine eigenen Gedanken als auf Frau Danglars' Worte erwidernd, daß alle unsere Schritte in diesem Leben dem Zuge der Schlangen auf dem Sande gleichen und eine Furche machen! Ach! für viele ist dies eine Tränenfurche.
Mein Herr, sagte Frau Danglars, nicht wahr, Sie begreifen meine Erschütterung? Schonen Sie mich also, ich bitte Sie. Dieses Zimmer, durch das so viele Schuldige zitternd und voll Scham gekommen sind, dieser Stuhl, auf den ich mich ebenfalls beschämt und zitternd setze! ... Oh! ich bedarf meiner ganzen Vernunft, um nicht in mir eine sehr schuldige Frau und in Ihnen einen drohenden Richter zu sehen; schon habe ich gestern eine schwere Strafe für meine Schuld erlitten.
Arme Frau! sagte Villefort, ihr die Hand drückend. Sie war zu schwer für Ihre Kräfte, denn zweimal waren Sie nahe daran, zu unterliegen, und doch müssen Sie Ihren Mut zusammenraffen, gnädige Frau, denn Sie sind noch nicht am Ziele!
Mein Gott! rief Frau Danglars erschrocken, was gibt es denn noch?
Sie sehen nur die Vergangenheit, und diese ist allerdings düster. Doch stellen Sie sich eine
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