Kreuz des Südens
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Vielversprechend brach in der historischen Stadt Richmond, Virginia der letzte Montagmorgen des Monats März an. Auf den Straßen und im Internet herrschte wenig Verkehr. Drogendealer schliefen, Huren waren müde, trunkene Autofahrer wieder nüchtern, Kinderschänder brachen zur Arbeit auf, Alarmanlagen schwiegen, häusliche Gewalt ruhte, und selbst im Leichenschauhaus war wenig Betrieb. In Richmond, das auf sieben oder acht Hügeln erbaut ist, je nachdem wer gerade zählt, lauten die Namen der prominenten Familien seit dem unvergessenen Bürgerkrieg immer noch gleich. Richmond ist ein urbanes Zentrum von ungebrochenem Stolz, dessen Wurzeln bis in das Jahr 1607 zurückreichen. Mit der Errichtung eines Kreuzes nahm damals ein kleiner Haufen versprengter englischer Glücksritter die Region im Namen König James' in Besitz. Die unausbleibliche Siedlung an den Wasserfällen des James River, naheliegenderweise The Falls genannt, litt, wie zu erwarten war, unter der antibritischen Stimmung der ansässigen Bevölkerung, unter den Schikanen von Handelsposten und Militärstützpunkten, unter den täglichen Entbehrungen, unter Indianerrevolten, unter Überfällen und Skalpierungen, unter Friedensabkommen, die nicht eingehalten wurden, und daran, dass Menschen zu jung starben. Die Indianer entdeckten das Feuerwasser und den Kater am nächsten Morgen. Sie tauschten Gewürze, Mineralien und Felle gegen Beile, Munition, Kleidung, Töpfe und noch mehr Feuerwasser.
Schließlich kamen aus Afrika schwarze Sklaven. Thomas Jefferson gestaltete den Hügel Monticello, entwarf das Capitol und das Staatsgefängnis. Er gründete die University of Virginia, verfasste die Unabhängigkeitserklärung und wurde bezichtigt, mehrere halbblütige Bastarde in die Welt gesetzt zu haben.
Schließlich kam auch die Eisenbahn, es wurden Schienen verlegt, die Tabakindustrie blühte, und niemand hatte Grund, sich über irgendetwas zu beklagen. Alles in allem stieg der Lebensstandard in der vornehmen Stadt stetig, bis Virginia sich 1861 entschloss, aus der Union der Nordstaaten auszuscheren und Hauptstadt der Konföderierten zu werden. Das ließ sich die Union nicht gefallen. Richmond bekam der Bürgerkrieg ziemlich schlecht. Als der Krieg vorbei war, versuchte die Stadt ohne Geld und Sklaven so gut es ging weiterzumachen. Kämpferisch blieb sie ihrer verlorenen Sache treu. Das Kriegsbanner - das Kreuz des Südens wehte immer noch, als die Richmonder ins nächste Jahrhundert aufbrachen, und sie überlebten weitere schreckliche Kriege, die nicht ihre Angelegenheit waren, weil sie anderswo ausgefochten wurden.
Gegen Ende des 20. Jahrhundert war es um die Hauptstadt Virginias ziemlich schlecht bestellt. Die Mordrate hatte den zweithöchsten Stand in der Nation erreicht. Der Tourismus lag danieder. Die Kinder nahmen Messer und Revolver mit zur Schule und gingen bereits im Bus aufeinander los. Bürger und Geschäftsinhaber hatten das Zentrum verlassen und waren in die umliegenden Bezirke geflüchtet. Die Steuereinnahmen gingen zurück. Die Honoratioren und der Stadtrat waren zerstritten, der Gouverneurspalast im klassizistischen Vorkriegsstil rottete vor sich hin.
Die Delegierten der Generalversammlung schlugen mit Fäusten auf den Tisch und beleidigten sich gegenseitig, wenn sie in die Stadt kamen, und der Vorsitzende des Komitees für Transportwesen trug bei seinen Auftritten stets eine versteckte Handfeuerwaffe bei sich. Zigeuner auf ihrem Weg nach Süden oder Norden machten hier Station, und Richmond wurde Drogendealern, die entlang der Interstate 95 ihr Unwesen trieben, zweites Zuhause.
Es war genau der richtige Zeitpunkt, dass eine Frau auf den Plan trat und Hausputz machte. Vielleicht hatte auch nur niemand genau hingehört, als die Stadt ihren ersten weiblichen Polizeichef engagierte.
Diese Frau führte soeben ihren Hund spazieren. Märzenbecher und Krokusse standen in der Blüte, der erste Silberstreif schimmerte am Horizont, es herrschte eine für die Jahreszeit ungewöhnliche Temperatur von 21 Grad Celsius. Die Vögel saßen auf den Ästen der Bäume und sangen ihr Morgenlied, und Chief Judy Hammer war in Hochstimmung. »Braves Mädchen, Popeye«, sprach sie ihrem Boston Terrier gut zu.
Popeye war kein besonders netter Name für eine Hündin, die mit ihren großen blauen Augen bisher immer nur Wände angestarrt hatte. Doch als der Tierschutzverein sie im Fernsehen gezeigt und Hammer zum Telefon gegriffen hatte, um sie zu adoptieren, hieß sie
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