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Der Graf von Monte Christo

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Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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wäre es nur, damit Sie sich nicht mit mir langweilen. Es scheint mir jetzt, Sie müssen die Einsamkeit dem Umgang mit einem Gefährten ohne Bildung, wie ich es bin, vorziehen. Willigen Sie in das, was ich mir von Ihnen erbitte, so mache ich mich anheischig, nicht mehr von Flucht zu reden.
    Der Abbé erwiderte lächelnd: Ach, mein Kind! Die menschliche Wissenschaft ist sehr beschränkt, und habe ich Sie die Mathematik, die Physik und die paar lebenden Sprachen gelehrt, die ich spreche, so wissen Sie alles, was ich weiß. Um all dieses Wissen von meinem Geiste in den Ihrigen zu ergießen, werde ich kaum zwei Jahre brauchen.
    Zwei Jahre! sagte Dantes, Sie glauben, ich könnte dies alles in zwei Jahren lernen? Was wollen Sie mich zuerst lehren? Es drängt mich zu beginnen, ich habe einen Durst nach Wissenschaft.
    Die Gefangenen entwarfen wirklich noch an demselben Abend einen Lehrplan, dessen Ausführung am andern Tage begann. Dantes besaß ein wunderbares Gedächtnis und eine außerordentliche Fassungsgabe. Die mathematische Anlage seines Geistes befähigte ihn, alles durch Berechnung zu begreifen, während die Poesie des Seemannes da einsetzte, wo die auf die Trockenheit der Zahlen und die Genauigkeit der Linien zurückgeführte und beschränkte Auseinandersetzung sich zu sehr im Materiellen verlor. Er verstand überdies bereits Italienisch und etwas Neugriechisch, was er bei seinen Reisen nach dem Orient gelernt hatte. Mittels dieser zwei Sprachen begriff er bald den Organismus aller andern, und nach Verlauf von sechs Monaten fing er an, Spanisch, Englisch und Deutsch zu sprechen.
    Mochte nun die Zerstreuung, die ihm das Studieren gewährte, einigermaßen die Freiheit ersetzen, oder war es gewissenhafteBefolgung des gegebenen Wortes, jedenfalls sprach er, wie er dem Abbé Faria zugesagt, nicht mehr von Flucht, und die Tage vergingen ihm rasch und lehrreich. Nach Verlauf eines Jahres war er ein anderer Mensch. Was den Abbé Faria betrifft, so bemerkte Dantes, daß er, trotz der Zerstreuung, die ihm seine Gegenwart gebracht hatte, täglich düsterer wurde. Ein unablässiger Gedanke schien seinen Geist zu belasten. Er versank in tiefe Träumerei, seufzte unwillkürlich, stand auf, kreuzte die Arme und ging finster in seinem Zimmer umher.
    Eines Tages blieb er mitten in einem von den hundertmal wiederholten Kreisen stehen, die er in seinem Kerker beschrieb, und rief: Oh! wenn keine Wache da wäre!
    Es wird keine Wache da sein, sobald Sie es nur wollen, sagte Dantes, der seinen Gedanken gefolgt war.
    Ich habe Ihnen bereits gesagt, versetzte der Abbé, ein Mord widerstrebt mir.
    Und dennoch wird dieser Mord durch den Instinkt unserer Selbsterhaltung, durch das Bewußtsein der Selbstverteidigung gerechtfertigt.
    Gleichviel, ich werde es nicht vermögen.
    Sie denken noch daran?
    Unablässig, unablässig, murmelte der Abbé.
    Und Sie haben ein Mittel gefunden, nicht wahr? sagte Dantes lebhaft und wollte ihn bei diesem Gegenstande festhalten, aber der Abbé schüttelte den Kopf und weigerte sich, zu antworten.
    Drei Monate verliefen.
    Sind Sie stark? fragte eines Tages der Abbé Dantes.
    Dantes nahm, ohne ein Wort zu erwidern, den Meißel, bog ihn wie ein Hufeisen und bog ihn wieder zurück.
    Würden Sie sich anheischig machen, die Schildwache nur im äußersten Notfalle zu töten?
    Ja, bei meiner Ehre.
    Dann können wir unsern Plan ausführen, sagte der Abbé.Wie lange brauchen wir dazu?
    Wenigstens ein Jahr.
    Oh, sehen Sie, wir haben ein Jahr verloren! rief Dantes.
    Finden Sie, daß wir es verloren haben? sagte der Abbé.
    Ich bitte um Vergebung, rief Edmond errötend.
    Still; der Mensch ist immer nur ein Mensch, und Sie sind einer von den besseren, die ich kennen gelernt habe. Vernehmen Sie meinen Plan!
    Der Abbé zeigte nun Dantes eine Zeichnung, die er entworfen hatte; es war der Plan seines Zimmers, des von Dantes und des Ganges, der beide miteinander verband. Mitten in diesem Gange brachte er einen Schacht an, denen ähnlich, die man in Bergwerken macht. Dieser Schacht führte die Gefangenen unter die Galerie, wo die Schildwache auf- und abging. Hier machten sie eine breite Aushöhlung und lösten eine von den Platten, die den Boden der Galerie bildeten. Im gegebenen Augenblick fiel die Platte unter dem Gewichte des Soldaten ein, und dieser stürzte in die Höhlung. Dantes warf sich in dem Momente auf ihn, wo er, von seinem Falle betäubt, sich nicht verteidigen konnte, band, knebelte ihn, und beide drangen durch ein

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