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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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entgegnete der Abbé, Sie sind ein Seemann, Sie sind ein Schwimmer und müssen folglich wissen, daß ein Mensch mit einer solchen Last nicht fünfzig Klafter weit kommen würde. Lassen Sie sich nicht länger durch Hirngespinste täuschen, von denen nicht einmal Ihr vortrefflichesHerz betört wird. Ich werde hier bleiben, bis die Stunde meiner Befreiung schlägt, die jetzt nur die des Todes sein kann. Was Sie betrifft ... fliehen Sie! Sie sind jung, stark und gewandt; kümmern Sie sich nicht um mich; ich gebe Ihnen Ihr Wort zurück.
    Gut, sagte Dantes, gut, so bleibe ich auch hier.
    Dann stand er auf, streckte feierlich eine Hand gegen den Greis aus und rief: Bei dem Blute Christi schwöre ich, daß ich Sie nur bei Ihrem Tode verlasse!
    Faria schaute den edeln, einfachen und in seiner entsagungsvollen Liebe so erhabenen jungen Mann an und las in seinen von dem Ausdrucke der reinsten Ergebenheit belebten Zügen die Aufrichtigkeit seiner Zuneigung und die Redlichkeit seines Schwures.
    Gut, sagte der Kranke, ich nehme es an und danke.
    Hierauf Edmond die Hand reichend, fuhr er fort: Sie werden vielleicht für diese uneigennützige Ergebenheit belohnt; zunächst müssen wir unbedingt die Höhlung verstopfen, die wir unter der Galerie gemacht haben; dem Soldaten kann der hohle Klang auffallen, er bringt die Sache zur Anzeige, und wir werden entdeckt und getrennt. Vollbringen Sie diese Aufgabe, wobei ich Sie leider nicht mehr unterstützen kann; verwenden Sie die ganze Nacht dazu, wenn es sein muß, und kommen Sie erst morgen nach dem Besuche des Gefangenwärters zurück; ich habe Ihnen, denke ich, etwas Wichtiges zu sagen ...
    Dantes nahm den Abbé bei der Hand; dieser beruhigte ihn durch ein Lächeln, und er entfernte sich mit dem Gehorsam und der Achtung, die er für seinen alten Freund hegte.

Das Brevier.
     
    Als Dantes am andern Morgen in das Zimmer seines Leidensgefährten zurückkehrte, fand er Faria mit ruhigem Antlitz unter dem Strahle sitzend, der durch das enge Fensterseiner Zelle glitt. Er hielt in seiner linken Hand ein Stück Papier und zeigte es, ohne etwas zu sagen, seinem jungen Freunde.
    Was ist das? fragte dieser.
    Schauen Sie es recht an, erwiderte der Abbé lächelnd.
    Ich sehe nichts, als ein halbverbranntes Papier, auf dem gotische Zeichen mit einer seltsamen Tinte gezeichnet find.
    Dieses Papier, mein Freund, ist mein Schatz, von dem von heute an die Hälfte Ihnen gehört.
    Kalter Schweiß lief über Dantes' Stirn. Bis auf diesen Tag hatte er es vermieden, mit Faria über diesen Schatz zu sprechen, von dem sich die Ansicht vom Wahnsinn des armen Abbés herleitete. Voll Zartgefühl, wie er war, zog es Edmond immer vor, diese schmerzlich tönende Saite nicht zu berühren; Faria schwieg ebenfalls, und Dantes hielt das Stillschweigen des Greises für eine Rückkehr zur Vernunft. Heute aber schienen die Worte, die Faria nach einer so peinvollen Krise entschlüpften, einen schweren Rückfall geistiger Bewölkung anzukündigen.
    Ihr Schatz? stammelte Dantes.
    Faria lächelte. Ja, Sie sind in jeder Hinsicht ein edles Herz, Edmond, und ich erkenne aus Ihrer Blässe und Ihrem Schauer, was in diesem Augenblick in Ihnen vorgeht. Nein, seien Sie ruhig, ich bin kein Narr; dieser Schatz besteht, Dantes, und wenn es mir nicht gegeben gewesen ist, ihn zu besitzen, so werden Sie ihn wenigstens besitzen. Niemand wollte mich hören, niemand wollte mir glauben, weil man mich für verrückt hielt; aber Sie, der Sie wissen, daß ich es nicht bin, Sie werden mir bald glauben.
    Ach! er leidet also an einem Rückfall; dieses Unglück fehlte mir noch, murmelte Edmond, nahm das Papier, von dem die Hälfte, die offenbar durch irgend einen Zufall zerstört worden war, fehlte, und las die darauf stehenden Worte.
    Nun? sagte Faria, als er zu Ende war.
    Ich sehe da nur verstümmelte Zeilen, Worte ohne Zusammenhang, erwiderte Dantes; die Schriftzeichen sind unterbrochen und bleiben unverständlich.
    Für Sie, mein Freund, der Sie es zum erstenmal lesen, aber nicht für mich, der ich viele Nächte hindurch darüber gebrütet, der ich jeden Satz wieder ausgebaut, jeden Gedanken vervollständigt habe.
    Und Sie glauben den Sinn wiedergefunden zu haben?
    Ich bin dessen gewiß; Sie sollen selbst urteilen! Vernehmen Sie aber zuerst die Geschichte dieses Papiers!
    Still! rief Dantes; Tritte! – man naht – ich gehe.
    Glücklich, der Geschichte und der Erläuterung zu entgehen, die ihm, wie er meinte, unfehlbar das Unglück seines

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