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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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vorhanden, und ich vernichte ihn.
    Dieses Benehmen ist zu edel, um natürlich zu sein. An wen war der Brief adressiert?
    An Herrn Noirtier, Rue Coq-Héron, Nr. 13 in Paris.
    Können Sie annehmen, Ihr Staatsanwalt habe ein Interesse an dem Verschwinden dieses Papiers gehabt?
    Vielleicht, denn er ließ mich mehrmals, in meinem Interesse, wie er sagte, geloben, mit niemand von diesem Briefe zu sprechen, ja, er ließ mich sogar schwören, nie den auf die Adresse geschriebenen Namen auszusprechen.
    Noirtier? erwiderte der Abbé, Noirtier? Ich kannte einen Noirtier am Hofe der ehemaligen Königin von Etrurien, einen Noirtier, der während der Revolution Girondist gewesen war. Wie hieß der Staatsanwalt?Von Villefort.
    Der Abbé brach in ein Gelächter aus. Dantes schaute ihn erstaunt an. Was haben Sie? fragte er.
    Alles ist mir jetzt klar. Armes Kind, armer junger Mann! Und dieser Beamte ist gut gegen Sie gewesen? Dieser würdige Mann hat den Brief verbrannt, vernichtet? Dieser ehrliche Lieferant des Henkers ließ Sie schwören, nie den Namen Noirtier auszusprechen? Dieser Noirtier, armer Blinder, wissen Sie, wer dieser Noirtier war? Dieser Noirtier ... war sein Vater.
    Hätte der Blitz zu Dantes' Füßen eingeschlagen und vor ihm einen Abgrund gegraben, in dessen Tiefe sich die Hölle öffnete, es hätte keine raschere, keine niederschmetterndere Wirkung hervorgebracht, als diese unerwarteten Worte. Er stand auf und nahm seinen Kopf zwischen beide Hände, als wollte er verhindern, daß er zerspringe.
    Sein Vater! Sein Vater! rief er.
    Ja, sein Vater, der Noirtier von Villefort heißt.
    Ein Licht durchzuckte das Gehirn des Gefangenen; was ihm bis dahin dunkel geblieben war, wurde in einem Augenblick klar wie der Tag. Villeforts Worte während des Verhörs, der vernichtende Brief, die fast flehende Stimme des Beamten, der statt zu drohen, zu bitten schien, alles kam ihm ins Gedächtnis. Er stieß einen Schrei aus, wankte einen Augenblick, wie ein Betrunkener, und stürzte dann nach der Öffnung, die aus der Zelle des Abbés in die seinige führte. Oh! sagte er, ich muß einen Augenblick allein sein, um alles zu überdenken. Als er wieder in seinem Kerker war, fiel er auf sein Bett, wo ihn der Schließer am Abend mit starren Augen und zusammengezogenem Gesicht unbeweglich und stumm wie eine Bildsäule sitzend fand. Während dieser Stunden des Nachsinnens, die wie Sekunden verliefen, hatte er einen furchtbaren Entschluß gefaßt und einen schrecklichen Eid geleistet.
    Diesem Brüten wurde er durch die Stimme des Abbésentzogen, der zu Dantes kam, um ihn zum Abendbrot einzuladen. Seine Eigenschaft als anerkannter Narr und besonders als belustigender Narr gab dem alten Gefangenen einige Vorrechte; so erhielt er etwas weißeres Brot und Sonntags ein Fläschchen Wein. Es war aber gerade Sonntag, und der Abbé wollte seinen jungen Gefährten einladen, sein Brot und seinen Wein mit ihm zu teilen.
    Dantes folgte ihm. Alle Linien seines Gesichtes hatten sich wieder geglättet und die gewöhnlichen Formen angenommen, aber es sprach aus ihnen die Starrheit und Festigkeit eines unwiderruflichen Entschlusses. Der Abbé schaute ihn aufmerksam an. Es tut mir leid, daß ich Sie in Ihren Nachforschungen unterstützt und Ihnen gesagt habe, was ich sagte, sprach er.
    Warum? fragte Dantes.
    Weil ich in Ihr Herz eine Leidenschaft brachte, die noch nicht darin war: die der Rache.
    Dantes versetzte lächelnd: Sprechen wir von etwas anderem!
    Der Abbé schaute ihn einen Augenblick an und schüttelte traurig den Kopf. Dann redete er, wie ihn Dantes gebeten hatte, von anderen Dingen.
    Der alte Gefangene war ein Mann, dessen Unterhaltung lehrreich und anziehend und dabei von jeder Selbstsucht frei war, denn der Unglückliche sprach nie von seinen Leiden.
    Dantes hörte jedes seiner Worte mit Bewunderung; zum Teil standen sie im Zusammenhange mit den Begriffen, die er bereits besaß, und mit den Kenntnissen, die er sich als Seemann erworben, zum Teil berührten sie unbekannte Dinge und zeigten, wie der Nordschein, der manchmal den Schiffern in den südlichen Breiten leuchtet, dem jungen Manne mit phantastischem Licht erhellte neue Landschaften und Horizonte. Dantes begriff das Glück, dessen ein vernunftbegabter Mensch teilhaftig werden müßte, wenn er diesem erhabenen Geiste aufdie moralischen, philosophischen und sozialen Höhen folgte, auf denen er sich zu ergehen pflegte.
    Sie sollten mich etwas von dem lehren, was Sie wissen, sagte Dantes, und

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