Der Graf von Monte Christo
waren Giovanni Rospigliosi, der für sich allein vier von den höchsten Würden des heiligen Stuhles inne hatte, und Cäsar Spada, einer der edelsten und reichsten Römer. Beide fühlten den Wert einer solchen Gunst des Papstes; sie waren ehrgeizig, und es floßen 800 000 Taler in die Kassen der Spekulanten.
Nachdem der Papst Rospigliosi und Spada mit Schmeicheleien überhäuft und ihnen die Insignien der Kardinalswürde übertragen hatte, lud er sie in Gemeinschaft mit Cäsar Borgia zum Mittagsmahle ein. In Bezug auf dieses Mahl bestand eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem heiligen Vater und seinem Sohne. Cäsar dachte, man könnte hierbei eines von den Mitteln gebrauchen, die er stets für seineinnigsten Freunde bereit hielt: nämlich einmal den berüchtigten Schlüssel, mit dem man den Geladenen aufforderte, einen gewissen Schrank zu öffnen. Dieser Schlüssel hatte eine kleine eiserne Spitze – scheinbar infolge der Nachlässigkeit des Verfertigers. Wandte man Gewalt an, um den Schrank zu öffnen, dessen schwieriges Schloß sonst nicht nachgab, so stach man sich mit dieser Spitze und starb am andern Tage. Sodann stand noch der Ring mit dem Löwenkopfe zur Verfügung, den Cäsar an den Finger steckte, wenn er gewisse Händedrücke gab. Der Löwe biß in die Oberhaut dieser des Drucks für würdig erachteten Hände, und der Biß hatte nach vierundzwanzig Stunden den Tod zur Folge. Cäsar Borgia schlug nun seinem Vater vor, die Kardinäle entweder den Schrank öffnen zu lassen, oder jedem von ihnen einen herzlichen Händedruck zu geben. Aber Alexander VI. erwiderte ihm: Es soll uns nicht auf ein Mittagsmahl ankommen, wenn es sich um die vortrefflichen Kardinäle Spada und Rospigliosi handelt. Eine innere Stimme sagt mir, daß wir das Geld dafür schon wieder herausschlagen werden. Überdies vergeßt Ihr, Cäsar, daß eine Unverdaulichkeit sogleich wirkt, während ein Stich oder ein Biß erst nach einem oder zwei Tagen ihre Folgen haben.
Cäsar fügte sich diesen Gründen, und die Kardinäle wurden zum Mittagsessen eingeladen. Man bereitete die Tafel in einer reizenden Villa, die der Papst unfern von Rom besaß. Ganz betäubt von seiner neuen Würde, machte Rospigliosi seinen Magen bereit und setzte seine beste Miene auf; Spada aber, ein kluger Mann, der einzig und allein seinen Neffen, einen jungen Kapitän, liebte, machte sein Testament. Er ließ sodann seinem Neffen sagen, er möge ihn in der Gegend der Villa erwarten; aber es scheint, der Diener fand ihn nicht. Spada begab sich gegen zwei Uhr nach der Villa. Der Papst erwartete ihn, und das erste Gesicht, das dem neuen Kardinal in die Augen viel, war das seines herrlich geschmückten Neffen, an den Cäsar Borgia alle möglichen Artigkeiten verschwendete.
Spada erbleichte, und Cäsar, der ihm einen Blick voll Ironie zuwarf, ließ ihn merken, daß er alles vorhergesehen habe. Man speiste. Spada konnte nur seinen Neffen fragen: Hast du meine Botschaft erhalten? Der Neffe verneinte und begriff vollkommen das Gewicht dieser Frage. Es war zu spät, denn er hatte bereits ein Glas vortrefflichen, von dem Mundschenken des Papstes für ihn besonders aufgestellten Wein getrunken. Spada sah in demselben Augenblick eine andere Flasche kommen, von der man ihm gastfreundlich anbot. Eine Stunde nachher erklärte ein Arzt, beide seien vom Genuß giftiger Pilze gestorben. Spada starb auf der Schwelle der Villa, der Neffe verschied an seiner Haustür.
Sogleich fielen Cäsar und der Papst, unter dem Vorwande, die Papiere untersuchen zu müssen, über die Erbschaft her. Aber diese Erbschaft bestand nur aus einem Stück Papier, auf das Spada geschrieben hatte: Ich vermache meinem Neffen meine Kisten, meine Bücher, darunter mein vergoldetes Brevier, mit dem Wunsche, daß er mich im Andenken behalten möge. Die Erben suchten überall, bewunderten das Brevier, durchsuchten, ja zertrümmerten alle Schränke und Kästen, in denen sie etwas Wertvolles vermuteten, und fanden staunend, daß der reiche Spada in Wirklichkeit der ärmste aller Oheime war; nirgends ein Schatz, außer den in der Bibliothek oder in den Laboratorien enthaltenen Schätzen der Wissenschaft. Das war alles. Cäsar und sein Vater suchten, wühlten, spähten; man fand nichts oder nur wenig; für tausend Taler Goldschmiedearbeiten und für ungefähr ebensoviel gemünztes Silber. Der Neffe hatte jedoch, als er auf der Schwelle seines Hauses zusammenbrach, Zeit gehabt, seiner Frau zuzurufen: Suche unter den
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