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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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in eine Richtung, die keiner von uns vorhergesehen hat. Es ist zu spät, Tastairiane Apailikas Wind abzuwenden. Also rufe jetzt diesen Gegenwind und lass ihn brennen!«
    »Kes«, sagte der andere Mann. Er barg die verbrannte Hand am Körper und starrte das Mädchen an; seine Augen waren ganz und gar die eines Menschen. Er wiederholte: »Kes.«
    »Jos«, erwiderte die junge Frau mit ganz leiser Stimme. »Ich erinnere mich.« Und sie wandte sich der Spirale zu und tat einen einzigen Schritt, der sie unvermittelt im Kreis umherwirbeln ließ; anschließend tauchte sie neben Maianthe auf.
    Viel zu dicht, dachte Tan, aber während er heftig zusammenzuckte, streckte Maianthe die Hand aus und legte sie, Handfläche an Handfläche, an die des Mädchens aus Feuer. Und sie wich auch nicht zurück, wie man es gewöhnlich vor Feuer tat, sondern blickte nur einen Augenblick lang in das Gesicht der anderen; ihre Miene war dabei sehr ernst.
    »Nein!«, schrie Istierinan erneut, und die Stimme brach ihm vor lauter wütender Verzweiflung.
    Maianthe hob die Hand von der des anderen Mädchens,drehte sich um und begann, ihre Spirale weiterzuzeichnen: im Kreis und nach innen, im Kreis und nach innen. Kes wandte sich in die entgegengesetzte Richtung und machte sich daran, eine eigene Spirale zu zeichnen: eine schmale Linie aus weißem Feuer, die sich nach außen wandte und aufwärts stieg. Obwohl beide Mädchen ihre parallelen Spiralen auf demselben glatten Fußboden zeichneten, schien die schwarze Spirale irgendwie nach unten zu verlaufen, während die brennende weiße Spirale im Zuge ihrer Windungen aufstieg.
    Tan sah sofort, was Maianthe mit Feuer als Gegengewicht zur Erde gemeint hatte. Maianthe kam jetzt viel entspannter voran und gab nicht zu erkennen, dass sie jemals an eine Grenze gestoßen war oder stoßen würde, wenn es darum ging, wie eng sich ihre Spirale mit der Zeit wendete und wie tief sie vielleicht reichte. Und Kes agierte ebenso mühelos; jeder Schritt war so leichtfüßig, als stiege sie allmählich tatsächlich in die Höhe.
    Istierinan stieß einen scharfen Schrei aus. Er sank auf ein Knie und rammte die Spitze seiner weißen Schreibfeder quer durch die Linie aus weißem Feuer. Die Feder fing Feuer, dessen Flammen so weiß wie das Gefieder waren, und die rote Tinte lief heraus. Die Tinte zischte, als sie Kes’ feurige Spirale erreichte, und löschte deren Feuer. Sie ließ nur den schwarzen Abgrund von Maianthes Spirale zurück.
    Maianthe schrie auf, und es klang ebenso wütend wie entsetzt. Dann stieß auch Kes einen Schrei aus, so durchdringend und nichtmenschlich wie der Ruf eines Falken. Die beiden Stimmen vermischten sich, bis man eine nicht mehr von der anderen unterscheiden konnte.
    Tan ging los, bewegte sich aus dem Zentrum der Spirale auf Istierinan zu.
    »Nein!«, mahnte ihn Kairaithin nachdrücklich. »Nein, Mensch!«
    »Ja, komm zu mir!«, rief Istierinan grimmig.
    Tan blieb stehen und blickte hilflos vom Greifenmagier zu dem Linulariner Rechtskundigen. Istierinan stand auf und zog die weiße Feder durch seine Finger. Das Feuer, das sie erfasst hatte, erlosch, und Istierinan lachte.
    Kairaithin verzog keine Miene, als er einen Schritt vortrat und danach zu feurigem Wind und dahinjagendem roten Sand explodierte. Die Wucht dieses Windes peitschte mit unglaublicher Präzision durch die Doppelspirale, vorbei an Maianthe und Kes, wischte die blutige Tinte weg und riss das weiße Feuer empor. Die Bö bewegte kaum Tans Haare, während sie an ihm vorbeijagte. Istierinan hingegen wurde mit entsetzlicher Wucht getroffen. Der Wind krallte nach seinem Gesicht und seinen Augen, schleuderte ihn auf die Knie und riss ihm die weiße Feder aus den Händen. Die Schreibfeder loderte zwar erneut auf, aber sie zerbröckelte nicht zu Asche, sondern flog wie ein brennender Pfeil über die Spirale. Sie schlug mit der Spitze voran zu Tans Füßen ein, grub sich tief in den Fußboden, während sie immer weiter in weißem Feuer brannte, wie eine schmale Wachskerze, die einfach nicht ausgehen wollte.
    Nachdem die in diesem starken Wind liegende Macht einmal entfesselt war, ermöglichte sie es Kes, noch während sie vor Schmerz aufschrie, die zerbrechlichen weißen Hände zu heben und ihre Spirale auszuweiten, sodass diese ins Unendliche stürmte – zu den Seiten hin und in die Höhe, bis sie die Ränder der Welt durchbrach und sich gegen die Kuppel des Himmels stemmte. Maianthe schrie auf, und ihre Spirale sprang in gleichem Maße

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