Der größte Raubzug der Geschichte
geschrieben werden. Erst wenn sie zu einem höheren Preis verkauft werden, darf der entstehende Gewinn auch als Gewinn verbucht werden. Doch seit vier Jahren werden auch in Europa und Deutschland Konzernbilanzen überwiegend nach den Regeln der IFRS erstellt. Dabei gilt (nicht nur) für Wertpapiere jeweils der sogenannte „Fair Value“. Das ist im Normalfall der Wert, zu dem die Papiere gerade gehandelt werden. Auf diese Weise kann bei steigenden Kursen die Bank Gewinne ausweisen, ohne die betreffenden Wertpapiere zu verkaufen. Sie kann die Gewinne auch in Form von Dividende oder Bonuszahlungen ausschütten.
Fair Value – wahrer Wert?
Diese Art der Bilanzierung ist unter deutschen Wirtschaftsexperten umstritten. Immerhin werden hier Gewinne ausgewiesen (und evtl. ausbezahlt), die in Wahrheit noch gar nicht entstanden sind. Weil diese Art der Bilanzierung international üblich ist, plant der deutsche Gesetzgeber, sie auch bei uns für alle bilanzpflichtigen Kaufleute verpflichtend vorzuschreiben – ein Plan, gegen den eine Gruppe renommierter Professoren in einer „Saarbrücker Erklärung gegen Fair Value“ vehement protestiert. Prof. Karlheinz Küting, Autor mehrerer Standardwerke zum Thema Wirtschaftsprüfung und Bilanzrecht, fürchtet, dass durch Bilanzierung nach „Fair Value“ dertatsächliche Zustand des bilanzierten Unternehmens verschleiert wird. Außerdem steigere der sogenannte Fair Value das Risiko heftiger Schwankungen und könne Unternehmen letztendlich gar in den Ruin treiben. Denn wehe, die Kurse der nach fair Value bilanzierten Wertpapiere fallen wieder. Dann müssten die Wertverluste natürlich als Verluste in der Bilanz ausgewiesen werden. Falls die in den Boomjahren gebuchten Gewinne aber ausgezahlt worden sind, müssen die dann anfallenden Verluste aus dem Eigenkapital ausgeglichen werden und können die Substanz eines Unternehmens gefährlich aufzehren. Tatsächlich traf genau das nun in der Bankenkrise fast jede Bank mit dreistelligen Millionenbeträgen. Die Bilanzregeln, die im Boom für riesige Gewinne sorgten, drohen nun manche Bank in den Abgrund zu reißen.
Bilanzen frisieren, staatlich erlaubt
Deshalb wurde das Bilanzrecht EU-weit kurzfristig noch einmal geändert. Nun werden zwei unterschiedliche „Töpfe“ mit unterschiedlichen Bilanzregeln gebildet. Ein Konzern darf nun frei entscheiden, ob ein Wertpapier„fürden Handel“ bestimmt ist und mit dem aktuellen Zeitwert in die Bilanz einfließt oder ob er das Wertpapier als „zur langfristigen Anlage“ deklariert. In diesem Topf kann dann der Anschaffungswert bilanziert werden, bis das Papier tatsächlich verkauft oder fällig ist. Die Bank hat nun ein Wahlrecht. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in Kröpfchen. Solange die Kurse steigen, werden die daraus errechneten Gewinne in die Bilanz geschrieben. Falls die Kurse zu fallen drohen, können Papiere umgebucht und mit konstantem Wert bilanziert werden. Und das ist noch nicht alles: Passend zur Krise erhielten die Konzerne zum 30. September die Möglichkeit, bei gefallenen Wertpapieren nachträglich noch den Wert vom 30. Juni in die Bücher zu schreiben – also den Wert vor den weltweiten Kursverlusten. Und die Banken machen regen Gebrauch davon.
Zum Beispiel: Die WEST-LB hat durch Umbewertung ihrer Anlagen ihren Gewinn um 150 Millionen Euro erhöht. Die Deutsche Bank hat auf diese Weise einen Verlust von 431 Millionen in einen Gewinn von 414 Millionen verwandelt, ein Plus von 845 Millionen. Ähnlich die Hypo-Vereinsbank: Mithilfe des beschriebenen Buchungstricks wurde ein Verlust von 539 Millionen in einen Gewinn von 160 Millionen verwandelt. Plus 699 Millionen. Allein bei diesen drei Banken wurde der ausgewiesene Gewinn durch den legalen Buchungstrick im letzten Quartal um mehrals 1,5 Milliarden erhöht.
Gewinnsteigerung für wen?
Klar ist, die Bilanzen sehen nun besseraus, die Banken müssen die Verluste nicht mit ihrem Eigenkapital ausgleichen, haben für die Zukunft mehr Handlungsspielraum. Und auf den ersten Blick könnte man meinen, auch der Staat habe etwas davon. Schließlich müsste sich ja zumindest der Finanzminister freuen, wenn die Banken mehr Gewinn ausweisen können, als sie tatsächlich gemacht haben. Schließlich bekommt er davon ja Steuern-sollte man meinen. Stimmt aber nicht: Für die Steuer müssen Banken spezielle Steuerbilanzen erstellen – und dort müssen Verluste bei Wertpapieren auch als Verluste gebucht und – natürlich – steuersenkend
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