Der groesste Teil der Welt
dort warten konnten, ohne dass ihre blutunterlaufenen Augen und Einstiche auffielen.
Ich klatschte meinen Fisch auf den marmornen Rezeptionstresen. Das gab ein ordentlich lautes »Platsch« - ehrlich, es hörte sich richtig fischig an. Sie (rötliche Haare, grüne Augen, ein Mund wie eine Blüte, die Art von Mädchen, bei der man sich vorbeugen und ungeheuer süß säuseln möchte: Du musst aber sehr intelligent sein, wie hättest du sonst so einen Job bekommen können?) schaute auf und sagte: »Hey.«
»Ich wollte Bennie besuchen«, sagte ich. »Bennie Salazar.«
»Werden Sie erwartet?«
»Gerade nicht.«
»Ihr Name?«
»Scotty.«
Erst als sie in ein winziges Mikro vor ihrem Mund sprach, fiel mir auf, dass sie ein Headset trug. Nachdem sie meinen Namen genannt hatte, ertappte ich sie dabei, wie sie die Lippen kräuselte, als ob sie ein Lächeln unterdrücken müsste. »Er ist in einer Besprechung«, sagte sie dann zu mir. »Aber ich kann etwas ausrich …«
»Ich warte.«
Ich legte meinen Fisch auf den gläsernen Kaffeetisch neben den Zeitschriften und ließ mich auf einer schwarzen Ledercouch nieder. Die Polster verströmten den köstlichsten Ledergeruch. Behaglichkeit durchströmte mich. Ich fühlte mich schläfrig. Ich wollte für immer hierbleiben, meine Wohnung in der East Sixth Street aufgeben und den Rest meines Lebens in Bennies Wartezimmer verbringen.
Allerdings war ich in letzter Zeit kaum in der Öffentlichkeit gewesen. Aber spielte das noch eine Rolle in unserem »Informationszeitalter«, wo man die ganze Welt und sogar das Universum sehen konnte, ohne auch nur von der grünen Samtcouch aufzustehen, die man auf einer Müllhalde gefunden und zum Zentrum der Wohnung in der East Sixth Street gemacht hatte? Die Abende begann ich damit, Hunan-Bohnen zu bestellen und sie mit Jägermeister hinunterzuspülen. Es war erstaunlich, wie viele Portionen Bohnen ich essen konnte, vier, fünf, manchmal mehr. Der Menge von Plastikpäckchen mit Soyasoße und Essstäbchen, die in der Tüte lagen, war anzumerken, dass Fong Yu glaubte, ich servierte einer Gruppe von acht oder neun Vegetariern Bohnen. Verursacht die chemische Zusammensetzung von Jägermeister ein Verlangen nach Bohnen? Haben Bohnen etwas an sich, das süchtig macht, wenn man sie, was selten vorkommen dürfte, mit Jägermeister zusammen verzehrt? Ich stellte mir diese Fragen, während ich mir Bohnen in den Mund schaufelte, riesige, knackige Gabeln voll, und Fernsehen guckte - seltsame Unterhaltungsshows, von denen ich die meisten nicht kannte und auch nicht viel mitbekam. Man könnte sagen, dass ich aus all diesen Sendungen meine eigene Sendung konstruierte, von der ich vermutete, dass sie besser war als die eigentlichen Sendungen. Eigentlich war ich mir da sogar sicher.
Darauf lief alles hinaus: Wenn wir Menschen informationsverarbeitende Maschinen sind, die Nullen und Einsen lesen und in das übersetzen können, was die Menschen voreilig als »Erfahrung« bezeichnen, und wenn ich über das Kabelfernsehen und die Zeitschriften, die ich überflog, wenn ich an meinen freien Tagen vier bis fünf Stunden am Stück in der Buchhandlung verbrachte (mein Rekord waren acht Stunden, inklusive einer halben Stunde, in der ich in der Mittagspause für einen der jüngeren Angestellten, der glaubte, ich arbeitete dort, an der Kasse eingesprungen bin) Zugang zu genau denselben Informationen hatte - wenn ich nicht nur dieselben Informationen hatte, sondern auch die Fähigkeit, dieses Wissen mit dem Computer zu formen, in meinem Gehirn umzuwandeln (echte Computer machten mir Angst, wenn du sie finden kannst, dann können sie auch dich finden, und ich wollte nicht gefunden werden), hatte ich dann nicht, in gewissem Sinne, dieselben Erfahrungen gemacht wie alle anderen?
Ich überprüfte diese Theorie, indem ich mich während einer Wohltätigkeitsgala für Herzkrankheiten vor die Public Library an der Ecke Fifth Avenue und Zweiundvierzigste Straße stellte. Ich hatte diese Veranstaltung rein willkürlich gewählt: Zum Ende der Öffnungszeit verließ ich den Zeitschriftenraum und sah, wie elegant gekleidete Personen weiße Decken über Tische breiteten und große Orchideensträuße in die Eingangshalle der Bibliothek trugen, und als ich ein blondes Mädchen mit Klemmblock fragte, was hier los sei, erzählte es mir von der Gala für Herzkrankheiten. Ich ging nach Hause und aß meine Bohnen, aber statt wie üblich den Fernseher einzuschalten, fuhr ich mit der U-Bahn
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