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Der groesste Teil der Welt

Der groesste Teil der Welt

Titel: Der groesste Teil der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Egan
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bedachte, dass der Star aus freien Stücken mit Jules in den Central Park gegangen war und keine einzige Verletzung davongetragen hatte. Am Ende hatte sie sogar für die Verteidigung ausgesagt. Aber der Staatsanwalt hatte der Jury einreden können, Kittys Stellungnahme für Jules sei ein Symptom des Stockholmsyndroms. »Die Tatsache, dass sie diesen Mann unbedingt beschützen will, ist nur ein weiteres Indiz dafür, wie tief er sie verletzt hat…« Stephanie erinnerte sich daran, wie er das beim Prozess ihres Bruders verkündet hatte, dem sie zehn quälende Tage lang zusah, während sie versuchte, optimistisch zu wirken.
    Im Gefängnis hatte Jules offenbar die Selbstbeherrschung zurückgewonnen, die er in den Monaten vor dem Übergriff so dramatisch verloren hatte. Er nahm Medikamente gegen seine bipolare Störung und machte seinen Frieden mit dem Ende seiner Verlobung. Er gab die wöchentlich erscheinende Gefängniszeitung heraus, und seine Berichterstattung über die Folgen des 11. September im Leben von Gefängnisinsassen trug ihm einen Sonderpreis im Gefängnis-Schreibprogramm des pen ein. Jules hatte nach New York fahren und seinen Preis persönlich entgegennehmen dürfen, und Bennie, Stephanie und ihre Eltern hatten während seiner ganzen gestammelten Dankesrede geweint. Er hatte begonnen Basketball zu spielen und abzunehmen und war seinen Hautausschlag wie durch ein Wunder losgeworden. Er schien endlich bereit dazu, sich der ernsthaften journalistischen Karriere zu widmen, um deretwillen er mehr als zwanzig Jahre zuvor nach New York gekommen war. Als im Bewährungsausschuss seine vorzeitige Entlassung beschlossen worden war, hatten Stephanie und Bennie ihm gerne angeboten, bei ihnen zu wohnen, bis er wieder auf eigenen Füßen stand.
    Aber jetzt, zwei Monate nach Jules’ Ankunft, war es zu einem unheilverkündenden Stillstand gekommen. Er hatte anfangs einige Bewerbungsgespräche, bei denen ihm schon vorher der Angstschweiß ausgebrochen war, aber daraus hatte sich nichts ergeben. Jules liebte Chris heiß und innig, während Chris in der Schule war, baute er stundenlang riesige Städte aus winzigen Legosteinen, um ihn bei seiner Heimkehr damit zu überraschen. Aber gegenüber Stephanie hielt ihr Bruder eine spöttische Distanz aufrecht und beobachtete ihre sinnlose Hektik (an diesem Morgen, zum Beispiel, als die drei sich beeilten, um rechtzeitig in die Schule und zur Arbeit zu kommen) mit hochgezogenen Augenbrauen. Seine Haare waren strähnig, und sein Gesicht wirkte derart ernüchtert und kraftlos, dass es Stephanie wehtat.
    »Fährst du in die Stadt?«, fragte Bennie, als sie die Frühstücksteller ins Spülbecken stellte.
    Sie wollte nicht in die Stadt fahren - noch nicht. Seit das Wetter wärmer wurde, hatte sie ihre morgendlichen Tennispartien mit Kathy wieder aufgenommen. Aber sie hatte eine gute neue Methode gefunden, um diese Partien aus Bennies Gesichtfeld verschwinden zu lassen; sie bewahrte ihre Tenniskleidung im Club auf, zog sich morgens zur Arbeit an, gab ihm einen Abschiedskuss und fuhr dann zum Club, um sich umzuziehen und zu spielen. Stephanie hielt die Lüge so klein wie möglich, indem sie daraus eine lediglich chronologische machte: Wenn Bennie fragte, wohin sie fahre, nannte sie immer einen wirklichen Termin, den sie später an diesem Tag hatte, und wenn er sich abends erkundigte, wie es gelaufen sei, konnte sie eine ehrliche Antwort geben.
    »Ich bin um zehn mit Bosco verabredet«, sagte sie. Bosco war der einzige Rockmusiker, dessen pr sie noch machte. Der Termin war in Wirklichkeit um drei.
    »Bosco, am Vormittag?«, fragte Bennie. »War das seine Idee?«
    Stephanie begriff sofort, dass sie einen Fehler gemacht hatte: Bosco verbrachte seine Nächte in einem Nebel aus Alkohol, die Wahrscheinlichkeit, dass er um zehn Uhr morgens bei Bewusstsein wäre, war gleich null. »Ich glaube schon«, sagte sie, und die Tatsache, dass sie ihrem Mann ins Gesicht log, löste in ihr ein merkwürdiges Schwindelgefühl aus. »Aber du hast recht. Es ist komisch.«
    »Es ist unheimlich«, sagte Bennie. Er gab Stephanie einen Abschiedskuss und steuerte mit Chris die Tür an. »Rufst du mich an, wenn du bei ihm gewesen bist?«
    In diesem Moment wusste Stephanie, dass sie ihr Spiel mit Kathy absagen musste - was genau genommen hieße, sie zu versetzen -, um nach Manhattan zu fahren und um zehn bei Bosco zu sein. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.
    Als die anderen gegangen waren, spürte Stephanie die

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