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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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entgegnete Mr. T. in gleicher Lautstärke. Er streichelte seinen Hund. »Lover war heute abend nicht in bester Form. Wenn er in der richtigen Laune ist, reicht kein Hund an ihn heran, aber manchmal fehlt ihm der rechte Antrieb.«
    Mr. T. seufzte bedauernd. »Heute war leider so ein Tag.«
    Er tastete mit der Hand über den Körper des Tieres, um nach tieferen Bißwunden zu suchen, und wischte sich mit einem Taschentuch Blut von den Fingern. »Hat sich aber trotz allem gut geschlagen. Lover wird wieder kämpfen.«
    »Das will ich hoffen«, sagte der Mann mit dem roten Bart, »und ich werde auch wieder auf ihn setzen, wenn er kämpft.« Mr. T. zeigte eine Spur von Anteilnahme. »Haben Sie viel verloren?«
    »Eine Bagatelle. Zehn Guineen, nicht der Rede wert.«
    Mr. T. war ein konservativer Mann und durchaus vermögend, aber es wäre ihm nie eingefallen, zehn Guineen als Bagatelle abzutun. Er betrachtete seinen Trinkgenossen von neuem und vermerkte den eleganten Schnitt seines Anzugs und die erstklassige weiße Seide seines Halstuches.
    »Ich freue mich, daß Sie es so leicht nehmen«, sagte er.
    »Darf ich Sie auf ein Glas einladen, um Sie für Ihren Verlust ein wenig zu entschädigen?«
    »Von Verlust kann keine Rede sein«, erwiderte der rotbärtige Herr, »denn ich betrachte es eher als Gewinn, einen Mann kennengelernt zu haben, der einen so guten Hund hat und ihn kämpfen läßt. Ich würde das auch gern tun, wenn ich nicht so oft in Geschäften unterwegs sein müßte.«
    »Oh, wirklich?« sagte Mr. T. und gab dem Mann hinter der Theke ein Zeichen, noch eine Runde zu bringen.
    »Leider«, sagte der Fremde. »Noch vor ein paar Tagen ist mir ein vorzüglicher Kampfhund angeboten worden, ein exzellentes Tier, fast so etwas wie ein Menschenfresser, ein Hund mit echtem Kampfgeist. Ich konnte die Gelegenheit aber nicht wahrnehmen, denn ich hätte selbst keine Zeit, mich um das Tier zu kümmern.«
    »Höchst bedauerlich«, sagte Mr. T. »Wie hoch war der geforderte Preis wohl, wenn ich fragen darf?«
    »Fünfzig Guineen.«
    »Ein stolzer Preis.«
    »Kann man wohl sagen.«
    Die Getränke wurden gebracht. »Ich bin selbst auf der Suche nach einem guten Kampfhund«, sagte Mr. T.
    »Tatsächlich?«
    »Ja«, erwiderte Mr. T. »Ich würde gern einen dritten Hund neben Lover und Shantung in meinen Zwinger aufnehmen. Ich nehme natürlich nicht an …«
    Der Herr mit dem roten Bart machte eine diskrete Pause, bevor er antwortete. Die Ausbildung sowie der An- und Verkauf von Kampfhunden waren immerhin durch Gesetz verboten. »Wenn Sie es wünschen«, sagte Pierce schließlich, »kann ich einmal vorfühlen, ob das Tier noch zu haben ist.«
    »Wollen Sie das tun? Das wäre zu liebenswürdig von Ihnen.« Mr. T. kam plötzlich ein Gedanke. »An Ihrer Stelle würde ich ihn doch selbst kaufen. Während Sie auf Reisen sind, könnte Ihre Frau die Diener anweisen, wie das Tier zu pflegen ist.«
    »Ich fürchte«, erwiderte der Rotbärtige, »ich habe mich in der Vergangenheit zu sehr den Geschäften gewidmet. Und so kommt es, daß ich nie geheiratet habe.« Doch dann fügte er lächelnd hinzu: »Aber natürlich würde ich gern heiraten.«
    »Natürlich«, sagte Mr. T. und sah sein Gegenüber prüfend an.

Eine junge Dame von Stand
    Das viktorianische England war das erste Land, in dem über vieles, was in der Nation vorging, kontinuierlich statistisches Material zusammengetragen wurde. Diese Zahlen waren meist eine Quelle unverhohlenen Stolzes. Um 1840 jedoch begann sich eine Entwicklung abzuzeichnen, die den führenden Köpfen der Zeit Sorgen machte: die Zahl alleinstehender Frauen nahm unverhältnismäßig zu. Um 1851 wurde die Zahl alleinstehender Frauen im heiratsfähigen Alter zuverlässig mit 2.765.000 angegeben – und sehr viele dieser Frauen stammten aus dem Mittelstand und aus der Oberschicht.
    Hier stellte sich ein ernstes Problem von großer Tragweite. Mädchen aus der Unterschicht konnten mancherlei Arbeiten annehmen, etwa als Näherinnen, Blumenmädchen, Landarbeiterinnen, konnten aber auch in manchem anderen gering geachteten Beruf Unterschlupf finden. Diese Frauen waren kein dringendes soziales Problem; sie waren unwissende, schlampige Geschöpfe, denen es an Ausbildung, Erziehung und Weltkenntnis fehlte. A. H. White hat im Ton höchsten Erstaunens über ein Gespräch mit einem jungen Mädchen berichtet, das als Zündholzmacherin arbeitete. »Sie ist noch nie in der Kirche gewesen. Hat noch nie etwas von ›England‹ oder

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