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Der große Ölkrieg

Der große Ölkrieg

Titel: Der große Ölkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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eingestellt worden, und er hatte eine Traumeinstufung bekommen, obwohl sie doch genau wußten, daß es in seiner Vergangenheit diese ganz gewissen schwarzen Flecken gab.
    Er würgte den Gedanken ab, merkte, daß seine Handflächen feucht wurden; eine klebrige Schweißfeuchtigkeit, die Übelkeit verursachte. Es war Zorki, Horror. Er wollte nicht daran denken, denn er hatte Angst, daß sie es bemerken könnten. Vielleicht gab es gewisse Reaktionen, anhand derer sie es ablesen konnten. Er wußte es nicht; aber er traute ihnen alles zu.
    Nichts riskieren. Nicht auffallen.
    Er hatte eine Arbeit, und er hatte eine Traumeinstufung. Er wollte nicht zu denen gehören, die Tag für Tag für Tag vor den Werkstoren herumlungerten und bettelten und randalierten und protestierten und auf jene schimpften, die hinter den Stacheldrahtgittern und Beton-Glas-Fassaden arbeiteten.
    Für das Volk arbeiteten.
    Er hatte seinen Platz im Leben, er wußte, wofür er lebte. Entsorgung war Sozialarbeit.
    Vier, fünf, sechs, sieben … Energisch setzte er seine Schritte. Dumpf hallten die Echos von den Graswänden wider. Der saubere Boden wirkte gleichermaßen hart und weich; eine perfekte Erdreichimitation, Fußgesundheitsboden. Berger schloß die Augen und zählte auch die nächsten Schritte ab. Er stellte sich vor, über einen jener Waldwege zu gehen, die er in den Video-Shows immer wieder gesehen und deren Anblick er stets wie ein Verdurstender in sich hineingesogen hatte.
    Dann fielen ihm die Lichter wieder ein. Solange er nicht an dem Operator-Terminal saß, waren sie grau, kieselsteingrau und stumpf und tot.
    Seltsam, daß er daran dachte. Denken mußte. Ein Schritt … zwei Schritte … An-aus-an-aus. Flackerndes Kunstleben. Die Lichter … Manchmal kamen sie ihm wie Augen vor; boshafte, spöttische Augen, hell-dunkel-hell, wachsam, allgegenwärtig und allgewaltig auf ihn gerichtet.
    Er war Herr eines eigenen Reiches, des Prodraums VIII, und war es doch wieder nicht.
    Er wurde beobachtet.
    Sie mißtrauten ihm immer noch. Mit Sicherheit hatte das nichts zu tun. Oder doch? War er ein Risikofaktor? Genaugenommen: ja.
    Die schwarzen Flecken in seiner Vergangenheit …
    Er fühlte sich nicht gut. Eine bleierne Müdigkeit kroch durch seinen Körper, wand sich um seine Seele und zog sich eisern und geschmeidig zusammen. Aber sein Gehirn arbeitete viel besser, als er dies gewohnt war. Wann hatte er das letzte Mal an diese Dinge gedacht?
    Er konnte es nicht sagen, es mußte schon verdammt lange zurückliegen. Damals, als die Wunden noch frisch gewesen waren. Seine rechte Hand fuhr sanft über seine Leistengegend.
    Das elektrische Licht, das sonnengleich von der Korridordecke strahlte, blendete ihn, schmerzte in den Augen. Auch dies war neu für ihn.
    Er blinzelte. Die Tränen kamen wieder, dick und zäh quollen sie aus den Augen und zogen silbrige Spuren über seine Wangen, und mit diesen Tränen wuchs die Angst. Er benahm sich auffällig, er verriet seine geheimsten Gedanken, seine Ängste. Sie mußten es bemerken.
    Und dann …
    Er blieb stehen, wischte die Tränen verstohlen weg; am liebsten hätte er laut geflucht, aber dies hieße: Unzufriedenheit artikulieren. Er riß sich zusammen, und der Druck in seinem Schädel wuchs, blähte sich auf, drohte, ihn zu sprengen.
    Sie merken es! Himmel, sie müssen es merken!
    „Berger …“
    Die Stimme war perfekt moduliert und sanft, aber er zuckte bei ihrem Klang dennoch zusammen.
    „Sandra?“
    „Ja, Berger, ich bin es, Sandra, der Ordnungscompu von Sektor VIII; ich freue mich, daß du mich erkannt hast. Wir haben uns schon lange nicht mehr miteinander unterhalten.“
    „Ich … ich weiß. Es tut mir leid.“ Sein Magen krampfte sich zusammen, und er haßte sich für die Angst, die ihn so kriechen ließ … Kriechen … vor dieser … dieser verdammten Maschine.
    „Du wirkst nervös, Berger. Dein Blutdruck ist besorgniserregend, du bist schweißnaß. Was hast du denn? Sag’ es mir. Vielleicht kann ich dir helfen? Du weißt, ich meine es gut mit dir. Du vertraust mir doch, nicht wahr, Berger?“
    „Natürlich!“ sagte er hastig.
    „Also, was ist es?“
    „Mit geht es gut, Sandra, ehrlich. Ich bin glücklich.“
    „Dein Familienleben …?“
    „Syra ist eine gute Frau. Sie liebt mich. Wir sind glücklich.“
    Sandra ging nicht darauf ein. „Sie hat sich damals sehr auf das Kind gefreut, nicht wahr?“
    Berger wußte, daß von dieser Antwort alles abhing. Er wußte es instinktiv, und er

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