Der große Ölkrieg
Lieferungen stoppen la… Ich wollte sagen, ich habe gehört, daß es seit gut einer Woche in ganz Groß-Kalkutta kein angeliefertes Getreide mehr gibt. Die Stadt steht kurz vor einer Explosion. Wir hoffen, daß …“
Damit war Bieber in der Menschenmenge verschwunden.
5
Irgendwo mußten sie etwas Unrechtes gegessen haben, denn in der folgenden Nacht bekamen die Kleinschmidts starken Durchfall und durften ihr Bett, betreut vom Hotelarzt, mehrere Tage lang nicht verlassen.
Nur über Radio und aus Zeitungen erfuhren sie, daß es in der Stadt zu Demonstrationen und Ausschreitungen Hungriger kam, die täglich an Heftigkeit zunahmen.
Am ersten Tag, an dem sie wieder auf die Straße durften, war ihr Ziel die Howrah-Brücke, die über den Hooghy-Fluß spannt und Kalkutta mit ihrer Schwesterstadt Howrah verbindet.
Sie fuhren sehr zeitig los, denn das Leben beginnt in Kalkutta bereits früh im Morgengrauen.
Mahat hatte sie bis nahe an die Brücke herangefahren und dort nach einem Aussichtsplatz für sie gesucht, ohne aber auf Anhieb etwas Geeignetes zu entdecken.
Als sie etwas ratlos neben dem Auto standen – von den Bettlern war um diese Morgenstunde noch nichts zu sehen –, erblickte Kleinschmidt den Fernsehmann, den sie beim Kali-Tempel gesprochen hatten.
„Herr Bieber!“
Ebenfalls auf dem Weg zur Howrah-Brücke, schrak der Produktionsleiter von WWTV etwas zusammen, als er seinen Namen hörte.
„Ach, Sie sind’s. Wir wollen heute den Menschenstrom drehen, der sich jeden Tag nach Kalkutta hereinwälzt. Dort kommt das Team.“
„Haben Sie denn inzwischen die Aufnahmen, die Sie brauchen?“ fragte Gerda Kleinschmidt. Solche Fernseharbeit war doch irgendwie aufregend, fand sie.
„Es geht. Einiges an Krawallen hat es bereits gegeben, und für heute kündigt sich weiteres an.“
„Wie viele Tausende kommen so jeden Morgen über die Brücke?“ fragte Kleinschmidt und nickte Mahat zustimmend zu, der ihm bedeutete, er werde den Wagen beiseite fahren. „Und können wir ein wenig bei Ihren Leuten bleiben?“
„Sie meinen, wegen der Sicherheit? Na klar. Je mehr wir sind, desto weniger kann passieren. Die Stadtverwaltung konnte uns auch keine genaue Auskunft geben. Man schätzt, daß es zwischen 400 000 und 600 000 Menschen sind, die sich innerhalb weniger Stunden über die Brücke wälzen, Autos und Busse inbegriffen. Fünfhundert Meter ist die Brücke lang, doch oft braucht ein Fußgänger fast eine Stunde dafür, Autos noch viel länger.“
„Ein Wunder, daß die Brücke noch nicht zusammengebrochen ist“, meinte Kleinschmidt nachdenklich. „Ich muß sagen …“
Er wurde von seiner Frau unterbrochen, die auf die Brückenauffahrt deutete:
„Sieh mal! Was ist das?“
Auch Bieber war aufmerksam geworden. „Wagner! Hirschkamp! Geht mal ran!“ rief er. „Da braut sich was zusammen.“
Eine dichte Menschentraube hatte sich gebildet. Transparente wurden aufgerollt, aber auch Stangen und Knüppel geschwungen. Die Menschenmassen auf der Brücke mußten verharren. Es gab kein Vorwärts und kein Zurück. Auf dem diesseitigen Ufer war die gesamte Straßenbreite blockiert, und von hinten drängten die Menschen auf der Brücke nach, Menschen, die nicht wußten, was vorne geschah, und weitergehen wollten.
Die Demonstranten wurden von Minute zu Minute zahlreicher.
„Es sind bald Zehntausende“, murmelte Bieber.
„Was rufen die eigentlich?“ Gerda Kleinschmidt starrte gebannt auf die Szene.
„Genau kann ich das auch nicht sagen“, meinte Bieber. „Es dürfte wieder …“
Mahat tauchte wie durch Zauberei auf. „Sie rufen: Gebt uns zu essen – wir haben Hunger!“ sagte er.
Dann erschien die Polizei.
Während die Menge der Demonstranten immer noch zunahm, gingen die Sicherheitskräfte bereits mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die Aufrührer vor. Vereinzelt fielen Karabinerschüsse. Eine Maschinenpistole ratterte kurz, erstarb wieder. Die Polizei nahm keinerlei Rücksicht darauf, wer getroffen wurde, so daß die Kleinschmidts und das Fernsehteam zurückweichen mußten.
„Macht nichts!“ rief der Kameramann Wagner Bieber zu. „Wir haben dufte Sachen im Kasten. Den Rest mach’ ich mit Tele!“
„Okay“, schrie Bieber zurück. „Paßt auf euch auf. Am besten, ihr kommt zu uns.“
Von ihrem neuen Standpunkt aus war in der Tat hervorragend zu beobachten, mit welcher Härte die Polizei vorging. Es entwickelte sich eine blutige Straßenschlacht.
„Toll“, sagte Gerda
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