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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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zurückzuziehen.
    Endlich schwankte der Sarg vor uns her, die Weiber schluchzten, und die Männer sahen bedenklich und verlegen vor sich nieder, der Geistliche erschien auch und machte seine Würde geltend, und ohne viel zu wissen, wie es zugegangen, sah ich mich endlich an der Spitze des langen Zuges auf dem Kirchhofe und dann in die kühle Kirche versetzt, welche von der Gemeinde ganz angefüllt wurde. Ich hörte nun mit Verwunderung und Aufmerksamkeit den ursprünglichen Familiennamen, die Abstammung, das Alter, den Lebenslauf und das Lob der Großmutter von der Kanzel verkünden und stimmte von Herzen in das Versöhnungs-und Ruhelied, welches zum Schlusse gesungen wurde. Als ich aber die Schaufeln klingen hörte vor der Kirchentür, drängte ich mich hinaus, um in das Grab zu schauen. Der einfache Sarg lag schon darin, viele Menschen standen umher und weinten, die Schollen fielen hart auf den Deckel und verbargen ihn allmählich; ich sah erstaunt hinein und kam mir fremd und verwundert vor, und die Tote in der Erde erschien mir auch fremd, und ich fand keine Tränen. Erst als es mir durch den Sinn fuhr, daß es die leibliche Mutter meines Vaters gewesen, und an meine Mutter dachte, welche einst auch also in die Erde gelegt werde, da vergegenwärtigte sich mir wieder mein Zusammenhang mit diesem Grabe, und das harte Wort »Ein Geschlecht vergeht und das andere entsteht!« verlor die scheinbare Kälte seiner Notwendigkeit.
    Der eingeladene Teil der Versammlung begab sich nun wieder nach dem Trauerhause, dessen Räume alle mit den Vorrichtungen des Leichenmahles erfüllt waren. Als man zu Tische saß, versetzte mich die Sitte wieder an die Seite des finstern Witwers, wo ich zwei volle Stunden aushalten mußte, ohne mit jemandem sprechen zu können, solange die erste herkömmliche Essenszeit mit allen ihren unvermeidlichen Gerichten dauerte. Ich sah die lange Tafel hinunter und suchte den Schulmeister und sein Kind, welche auch anwesend waren; sie mußten aber im anstoßenden Zimmer sein, denn ich fand sie nicht.
    Anfänglich wurde mäßig und bedächtig gesprochen und die Speisen in großer Ehrbarkeit eingenommen. Die Bauern saßen aufrecht an ihre Stühle oder an die Wand gelehnt, in beträchtlichem Abstand vom Tische, und stachen die Fleischbissen mit feierlich ausgestrecktem Arme an, die Gabel am äußersten Ende haltend. So führten sie ihre Beute auf dem weitesten Wege zum Munde und tranken den Wein in kleinen, züchtigen, aber häufigen Zügen.
    Die Aufwärterinnen trugen die breiten Zinnschüsseln in erhobenen Händen in der Höhe ihres Gesichtes heran, mit gemessenem Paradeschritt, die Hüften gewaltig hin und her wiegend. Wo sie die Tracht auf den Tisch setzten, mußten die beiden Zunächstsitzenden einen Wettstreit beginnen, indem sie ihnen ihre Gläser zum Trinken boten und jeder wenigstens zwei gute Witze auf den Nebenbuhler losließ; dieser kleine Kampf wurde dann dadurch geschlichtet, daß die Aufwärterin aus jedem Glase nippte und mehr oder weniger zufrieden mit der Ausführung dieser Etikette sich zurückzog.
    Nach Verfluß zweier langen Stunden wurden die Gerichte feiner und leckerer, die Roheren unter den Gästen näherten sich immer mehr dem Tische, legten die Arme darauf und begannen nun erst, auf dem möglichst kürzesten Wege, ein ungeheures und heftiges Essen, wozu sie den Wein in tiefen Zügen schluckten. Die Älteren und Feineren aber wurden lauter im Gespräche, rückten ihre Stühle mehr zusammen und ließen die Unterhaltung allmählich in eine gehaltene Fröhlichkeit übergehen. Diese war wohl zu unterscheiden von einer gewöhnlichen lustigen Stimmung und eine symbolische Absicht, welche eine heitere Ergebung in den Lauf der Dinge und das Recht des Lebens gegen den Tod bedeuten sollte.
    Ich fand nun endlich Raum, meinen Platz zu verlassen und umherzugehen.
    Im nächsten Zimmer fand ich an einer kleineren Tafel Anna neben ihrem Vater sitzen, welcher im Kreise einiger Klugen und Frommen die weise und fröhliche Ergebung in das Unvermeidliche mit ausgezeichneter Kunst übte. Er machte einigen bejahrten Frauen den Hof und wußte jeder noch zu sagen, was sie vor dreißig Jahren gern gehört; dafür schmeichelten sie der kleinen Anna, lobten ihre Manieren und priesen den Alten glücklich. Zu dieser Gruppe setzte ich mich und horchte neben Anna auf die beschaulichen Reden der Alten.
    Dabei hielten wir zwei, denen nun erst vergnüglich zu Mute wurde, noch eine kleine Mahlzeit aus der gleichen

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