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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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gebracht, keine andere Bezeichnung dafür aufzufinden), da schüttelte er bedenklich den Kopf und wunderte sich, wo ich denn meine Augen gehabt hätte. In seinem realistischen Sinne, als tüchtiger Land-und Forstmann, fand er trotz aller Unkunde in Kunstdingen den Fehler schnell und leicht heraus.
    »Diese Bäume«, sagte er, »sehen ja einer dem andern ähnlich und alle zusammen gar keinem wirklichen! Diese Felsen und Steine könnten keinen Augenblick so aufeinanderliegen, ohne zusammenzufallen! Hier ist ein Wasserfall, dessen Masse einen der größeren Fälle verkündet, die aber über kleinliche Bachsteine stürzt, als ob ein Regiment Soldaten über einen Span stolperte; hiezu wäre eine tüchtige Felswand erforderlich, indessen nimmt es mich eigentlich wunder, wo zum Teufel in der Nähe der Stadt ein solcher Fall zu finden ist! Dann möchte ich auch wissen, was an solchen verfaulten Weidenstöcken Zeichnenswertes ist, da dünkte mich doch eine gesunde Eiche oder Buche erbaulicher« usf.
    Die Frauensleute hingegen ärgerten sich über meine Vagabunden, Kesselflicker und Fratzengesichter und begriffen nicht, warum ich im Felde nicht lieber ein artiges vorübergehendes Landmädchen oder einen anständigen Ackersmann abgebildet habe, als mich fortwährend mit solchen Unholden zu beschäftigen; die Söhne belachten meine ungeheuerlichen Berghöhlen, die unmöglichen und lächerlichen Brücken, die menschenähnlichen Steinköpfe und Baumkrüppel und gaben jeder solchen Tollheit einen lustigen Namen, dessen Lächerlichkeit auf mich zu fallen schien. Ich stand beschämt da als ein Mensch, der voll närrischer und eitler Dinge ist, und die mitgebrachte künstliche Krankhaftigkeit verkroch sich vor der einfachen Gesundheit dieses Hauses und der ländlichen Luft.
    Gleich am ersten Tage nach meiner Ankunft stellte mir der Oheim, um mich wieder auf eine reale Balm zu leiten, die Aufgabe, seine Besitzung, Haus, Garten und Bäume, genau und bedächtig zu zeichnen und ein getreues Bild davon zu entwerfen. Er machte mich aufmerksam auf alle Eigentümlichkeiten und auf das, was er besonders hervorgehoben wünschte, und wenn seine Andeutungen auch eher dem Bedürfnisse eines rüstigen Besitzers als denjenigen eines Kunstverständigen entsprachen, so ward ich doch dadurch genötigt, die Gegenstände wieder einmal genau anzusehen und in allen ihren eigentümlichen Oberflächen zu verfolgen. Die allereinfachsten Dinge am Hause selbst, sogar die Ziegel auf dem Dache, gaben mir nun wieder mehr zu schaffen, als ich je gedacht hatte, und veranlaßten mich, auch die umstehenden Bäume in gleicher Weise gewissenhafter zu zeichnen; ich lernte die aufrichtige Arbeit und Mühe wieder kennen, und indem darüber eine Arbeit entstand, die mich in ihrer anspruchlosen Durchgeführtheit selbst unendlich mehr befriedigte als die marktschreierischen Produkte der jüngsten Zeit, erwarb ich mir mit saurer Mühe den Sinn des Schlichten, aber Wahren.
    Inzwischen erfreute ich mich des Wiederfindens alles dessen, was ich im letzten Jahre hier verlassen, beobachtete alle Veränderungen, welche etwa vorgefallen, und harrte im stillen auf den Augenblick, wo ich Anna wiedersehen oder wenigstens zuerst ihren Namen hören würde. Aber schon waren einige Tage verflossen, ohne daß die geringste Erwähnung fiel, und je länger dies andauerte, desto minder brachte ich die Frage nach ihr hervor. Man schien sie völlig vergessen zu haben, sie schien nie dagewesen zu sein, und, was mich innerlich kränkte, niemand schien die geringste Ahnung zu haben, daß ich irgendeine Veranlassung oder ein Bedürfnis haben könnte, von ihr zu hören. Wohl ging ich halbwegs über den Berg oder in den Schatten des Flußtales, allein jedesmal kehrte ich plötzlich um aus unerklärlicher Furcht, ihr zu begegnen. Ich ging auf den Kirchhof und stand an dem Grabe der Großmutter, welche nun schon seit einem Jahre in der Erde lag, aber die Luft war windstill vom Gedächtnisse Annas, die Gräser schienen nichts von ihr zu wissen, die Blumen flüsterten nicht ihren Namen, Berg und Tal schwiegen von ihr, nur mein Herz tönte ihn laut hinaus in die undankbare Stille.
    Endlich wurde ich gefragt, warum ich den Schulmeister nicht besuche? und da ergab es sich zufällig, daß Anna schon seit einem halben Jahre nicht mehr im Lande sei und daß man meine Kunde hierüber vorausgesetzt habe. Ihr Vater hatte, in seiner steten Sehnsucht nach Bildung und Feinheit der Seele und in Betracht, daß nach

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