Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
runden Fensterscheiben wurden klargewaschen, vor dieselben auf ein breites Blumenbrett, mit der Mutter Beihilfe, ein kleiner Garten gepflanzt und inwendig die Pfosten sowie die nächste Wand mit Efeu bezogen, zu welchem im Sommer noch blühende Schlingpflanzen kamen, so daß das helle große Fenster von einem grünen Urwald umgeben war. Die geweißten Wände behing ich teils mit Kupferstichen und solchen Zeichnungen, welche irgendeinen abenteuerlichen Knalleffekt enthielten, teils zeichnete ich mit Kohle seltsame Larven oder schrieb Lieblingssprüche und gewaltsame Verse, die mir imponiert hatten, darauf. Ich stellte die ältesten und ehrwürdigsten unserer Geräte hinein, schleppte herzu, was nur irgend einem Buche gleichsah, und stellte es auf die gebräunten Möbeln, die verschiedensten Gegenstände häuften sich nach und nach an und vermehrten den malerischen Eindruck; in der Mitte aber ward eine mächtige Staffelei aufgepflanzt, das Ziel meiner langen Wünsche, und auf große Blendrahmen gespanntes Papier darauf gestellt; denn ich sehnte mich nach tüchtigem Hantieren in weitläufiger, handgreiflicher Materie, und da ich noch keinen Weg zur Ölmalerei offen sah, so half ich mir dadurch, daß ich einstweilen auf grobem Papiere mit Kohle, Kreide und kräftigen Farbentönen sattsam herumfegte. Ich freute mich großer Baumgruppen und Gebirgsformen, die ich ohne vieles Grübeln hervorrief, die Einzelnheiten, die sich mir während meines Herumtreibens in der freien Natur mehr oder minder eingeprägt hatten, harmlos anwendend, Gestein und Bäume reichlich mit Moos, Wurzel-und Flechtwerk bekleidend. Das Beste davon waren noch die mannigfaltigen bewegten Lüfte; da ich von meiner hohen Warte aus ein weites Himmelsfeld beherrschte, so sah ich den ganzen Tag die Wolken kommen und gehen in allen Farben, und dies erregte in mir den Gedanken, eigene Luftstudien zu machen. Sooft ich daher eine schöne Wolkenmasse entdeckte, bildete ich sie schnell mit meinen Wasserfarben nach, indessen mich die kompakten und doch schmelzvollen Gebilde eine unbestimmte Sehnsucht nach der Ölpalette empfinden ließen. Doch erreichte ich eine ziemliche Übung und begann den lebendigen Himmel zu verstehen; ich ging leidenschaftlich den tausend Reizen der Wolken nach, besonders wandelten meine Blicke friedevoll durch die tiefen plastischen Täler, über die weißen Höhen und um die sonnigen Vorsprünge und Abhänge dieser luftigen Gebirge herum, sie schlichen verwegen unter der schattigen blauen Basis hindurch, die ungeheure Ausdehnung in der scheinbaren Verkürzung ermessend. Als ich später hörte, daß diese Übung allerdings ein sehr eifrig gepflegter Weg landschaftlicher Kunst sei, war ich nicht wenig stolz darauf, in meiner Abgeschiedenheit von selbst darauf verfallen zu sein, wie ich überhaupt erfuhr, daß das Bedürfnis solche Hilfen immer selbst erfindet und die allgemeine Wahrheit sich in jedem abgeschiedenen, aber lebendigen Bestreben Bahn bricht.
Erst jetzt, als die erste Begierde nach Staffelei und umfangreichen Flächen gestillt war, gewann es neuen Reiz für mich, daneben kleine saubere und zierliche Arbeiten auszuführen, und ich hatte immer einen idyllischen Gedanken in Bereitschaft, welchen ich in kleinem Umfange mit bunten und glänzenden Farbentönen aufs sorgsamste ausführte, im Gegensatze zu den größeren verwegenen Unternehmungen. Diese doppelte Art der Tätigkeit entsprach einem natürlichen Bedürfnisse und mochte als ein weiterer Beweis gelten, daß sich solches immer von selbst ausbildet und hilft, wo es nicht durch einseitige Schule gehindert wird.
Ich war nun ganz mir selbst überlassen, vollkommen frei und unabhängig, ohne die mindeste Einwirkung und ohne Vorbild noch Vorschrift. Ich knüpfte abwechselnden Verkehr an mit jungen Leuten, an denen mich ein verwandter Hang oder ein freundliches Eingehen anzog, am liebsten mit ehemaligen Schulgenossen, die in der Zeit ihre Studien fortsetzten und mir, mich in meiner Klause besuchend, getreulich Bericht erstatteten von ihren Fortschritten und von allem, was in den Schulen vorkam. Diese Gelegenheit benutzte ich, noch ein und andere Brocken aufzuschnappen, und sah öfter schmerzlich durch die verschlossenen Gitter in den reichen Garten der reiferen Jugendbildung, erst jetzt recht fühlend, was ich verloren. Doch lernte ich durch meine Freunde manches Buch und manchen Anknüpfungspunkt kennen, von wo aus ich weitertappte am dürftigen Faden, und das Gefundene
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