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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Zappler und Stänker, der vor Hochmut und Unruhe nicht weiß, was er anfangen soll und, da es ihm an jedem Körnlein von Autorität und Witz mangelt, sich an die Rückwand des Glaubens lehnt, um was hinter sich zu haben, von wo aus er rumoren kann. Der Cäsar ehrt den Glauben als Tyrann und Aristokrat, der Zappler und Stänker schätzt ihn als geistiger Proletarier und Skandalmacher, beide aus Selbstsucht. Will man die Bedeutung des Glaubens kennen, so muß man nicht sowohl die orthodoxen Kirchenleute betrachten, bei denen der Institutionen wegen alles über einen Kamm geschoren ist und das Eigentümliche daher zurücktritt, als vielmehr die undisziplinierten Wildlinge des Glaubens, welche außerhalb der Kirchenmauern frei umherschwirren, sei es in entstehenden Sekten, sei es in einzelnen Personen. Hier treten die rechten Beweggründe und das Ursprüngliche in Schicksal und Charakter hervor und werfen Licht in das verwachsene und fest gewordene Gebilde der großen geschichtlichen Masse.
    Es lebte in unserer Stadt ein Mann, welcher sich ein Vergnügen daraus machte, den Leuten, welche sich mit ihm abgaben, allerlei Erfindungen und Aufschneidereien vorzutragen, um sie nachher ihrer Leichtgläubigkeitwegen zu verhöhnen, indem er erklärte, die Geschichte sei gar nicht wahr. Jemand anders aber mochte erzählen, was er wollte, so stellte der Mann es in Abrede und hatte eine ganz eigene tückische Manier, die Treuherzigkeit, mit welcher ihm etwas gesagt wurde, ins Lächerliche zu ziehen, auf die gleiche Weise, wie er die Treuherzigkeit derer, welche ihm glaubten, spöttisch zu machen wußte.
    Er aß keine Krume Brotes, die er sich Nicht durch eine Lüge verschafft; denn er wäre lieber Hungers gestorben, eh als er in ein auf gradem Wege erworbenes Stück Brot gebissen hätte. Aß er aber sein Brot, so sagte er, es sei gut, wenn es schlecht war, und schlecht, wenn es gut war; hatte er Hunger, so benagte er es zimpferlich und warf die Brocken umher; hatte er keinen Hunger, so nahm er anderen den Bissen weg, den sie eben in den Mund stecken wollten, und fraß sich so voll, daß er krank wurde; alsdann behauptete er, sich sehr wohl zu befinden! Überhaupt ging sein ganzes Streben dahin, sich immer für etwas anderes zu geben, als er war, was ihm ein fortgesetztes Studium verursachte, so daß er, der eigentlich nichts tat und nie etwas genützt hatte, doch zu jeder Minute in der kompliziertesten Tätigkeit begriffen war. Hiezu bedurfte er eines fortgesetzten Schleichens und Lauerns, teils um die günstigen Momente zu erhaschen, um seine Narrheiten vorzubringen, teils um andere auf schwachen Seiten zu ertappen, da eine Hauptleidenschaft von ihm darin bestand, die ganze Welt der Unwahrheit und Lüge zu überführen, und es war nichts Lustigeres zu sehen, als wenn er, soeben hinter einer Tür, wo er gelauert hatte, auf den Zehen hervorhüpfend, plötzlich strack und steif dastand, mit rollenden Augen um sich stierte und mit bombastischen Worten seine Gradheit, Ehrlichkeit und arglose Derbheit anrühmte. Da er bei alledem wohl fühlte, daß jedermann besser daran war als er, so erfüllte ein unnennbar neidisches Wesen seine Seele, welches ihn verzehrte wie ein glühendes Feuer und welches sich dadurch äußerte, daß sein drittes Wort immer das Wort »Neid« war. Er versicherte, sich in einer ewig glückseligen moralischen Überlegenheit zu befinden, und sah daher in jedem Blatte, das nicht nach seiner Weise säuselte, einen neidischen Widersacher, und die ganze Welt war nur ein vor Neid zitternder Wald für ihn. Widersprach ihm jemand, so schrieb er jeden Widerspruch dem Neide zu, schwieg man während seiner Vorträge, so ward er wütend und konnte kaum das Weggehen des Schweigenden abwarten, um denselben des Neides zu beschuldigen, so daß seine ganze Rede durch das unaufhörlich wiederkehrende Wort Neid recht eigentlich zum neidisch tönenden Gesange des Neides selbst wurde. So war er in allem der persönliche Feind der Wahrheit und atmete nur in Abwesenheit derselben, wie die Mäuse auf dem Tische tanzen, wenn die Katze nicht zu Hause ist, und die Wahrheit rächte sich auf die einfachste Weise an ihm. Sein Grundübel war, daß er schon im Mutterleibe hatte gescheiter sein wollen als seine Mutter, und infolgedessen konnte er nur leben, wenn er nichts zu glauben brauchte, was irgend ein Mensch sagte, alle Menschen aber glaubten, was er sagte. Nun konnte er sich freilich stellen, als ob dem so wäre, und er tat es auch, was schon

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