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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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eine energische Zusammenfassung der einzelnen Verlogenheiten und seine Hauptlüge war; allein der Beweis vom wahren Sachverhalte machte sich doch zu offenbar im Gelächter seiner Nebenmenschen. Daher fand er kurz und gut seinen besten Stützpunkt in derjenigen Lehre, welche den unbedingten Glauben zum Panier erhebt. Schon daß die allgemeine Richtung der Zeit sich vom Glauben abwandte und die Mehrzahl der denkenden Menschen, wenn sie sich auch nicht dagegen aussprachen, doch denselben gut sein ließen und in der Praxis nur auf das Begreifliche und Erkennbare bauten, war ihm Grund genug, sich dieser Richtung schnurstracks entgegenzustellen und dabei zu behaupten, der Hang und Drang der Zeit ginge unverkennbar auf den erneuten Glauben los; denn er konnte das Lügen nirgends lassen. Diejenigen, welche wirklich glaubten, waren ihm höchst langweilig, und er bekümmerte sich nicht um sie, daher er auch nie in einer Kirche oder religiösen Gemeinschaft gesehen wurde. Dagegen hatte er es um so mehr mit denen zu tun, welche nicht glaubten. Nicht daß er sich um das Seelenheil derselben viel gekümmert hätte, obgleich er die Sache mit ängstlicher Hast verfolgte; seine Angst war die hatte er einmal gesagt, daß er glaube, so mußten für ihn alle, welche nicht glaubten, Esel sein, und wenn dies auf sein Wort hin nicht angenommen wurde, so glaubte er selbst als ein Esel dazustehen. Er hatte sich im Mutterleibe schon gesagt wenn du nun ans Licht kommst, so wird die Frage deiner Existenz die sein: Entweder bist du ein Esel, oder alle anderen sind Esel! Er verriet dies in schwachen Augenblicken des Streites, wenn er sich in eine Sackgasse verrannt, indem ihm alsdann das Wort entschlüpfte »Nun, da müßte ich also ein Esel sein, wenn ich so was glaubte, was nicht wahr wäre!« und er bezeichnete damit, ohne es zu wollen, seinen Standpunkt und auch das Herz , welches er für seine Sache hatte. In der Tat könnte man den unseligen Streit die Eselfrage nennen, da gewiß von tausend Fanatikern, welche für ihre religiöse Meinung im Blute wateten, neunhundertneunundneunzig nur aus dem Grunde den Frieden verrieten und Scheiterhaufen anzündeten, weil ihnen aus dem Trotze der Verfolgten das Wort Esel entgegenzutönen schien. Nichts haßte der Mann mehr als die gewissenhafte und redliche Forschung und die Entdeckungen der Wissenschaft; wenn irgendein Ergebnis derselben bekannt wurde, so zappelte er mit Händen und Füßen dagegen und suchte es lächerlich zu machen, und wenn es sich als richtig erwies und seine bedeutenden Folgen auf allen Gassen zu sehen und zu greifen waren, so tobte er erst recht und nannte es ins Angesicht eine Lüge. Das Einmaleins und eine chemische Schale waren ihm unerträglicher als dem Teufel Vaterunser und Weihkessel; aber auch die Natur rächte sich lächelnd an ihm. Denn während er die fünf Sinne nicht gelten ließ, war er stets bemüht, dieselben durch einige erfundene Sinne zu vermehren, durch deren possierliche Ausmalung er die christliche Wunderwelt erklären wollte. Wenn er hiedurch vielfach gegen den christlichen Geist verstieß und man ihm dies durch das Neue Testament bewies, so sagte er, er pfeife auf das Neue Testament, er habe seinen eigenen Kopf, im gleichen Augenblicke, wo er es das Buch des Lebens genannt hatte. Trotz alledem glaubte er aufrichtig, denn nach irgendeiner Seite hin muß jeder Mensch sich ergeben, und er glaubte um so aufrichtiger, als einesteils der Gegenstand des Glaubens unerwiesen, unbegreiflich und überirdisch war, anderenteils ihn das innere Gefühl seines verunglückten Witzes sentimental und weinerlich machte.
    Eines Tages ging er mit einer lustigen Gesellschaft über eine Felsenhöhe am Seeufer. Er war ursprünglich gut gewachsen, doch die andauernde Verdrehtheit seiner Seele hatte seinen Körper ganz windschief gemacht, daß er aussah wie ein verbogener Wetterhahn. Sein schöner Wuchs war aber ein Lieblingsthema seiner Rede, und jeden Augenblick war er bereit, sich auszukleiden und ihn zu zeigen, während er an allen Sterblichen etwas auszusetzen hatte, ungefragt diesem einen Höcker andichtete, jenem krumme Beine. Als er nun etwas verstimmt vor den übrigen Gesellen herging, die ihn schon verschiedentlich aufgezogen hatten, rief plötzlich einer, welcher ihn zum ersten Mal genauer ins Auge faßte »Sie! Herr Ölfinger! Sie sind eigentlich verteufelt krumm!« Erstaunt kehrte er sich um und sagte »Sie träumen wohl, oder soll das ein Witz sein?« Der andere wandte

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