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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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gehen.

    Und durch den starken Wellenschlag Der See, die gegen mich verschworen, Geht mir von euerem Gesang, Wenn auch gedämpft, kein Ton verloren!

Und wie die Danaide wohl
    Einmal neugierig um sich blicket, So schau ich euch verwundert nach, Besorgt, wie ihr euch fügt und schicket.

    Je herber und trockener diese Verse an sich waren, desto unmittelbarer und wahrer drückten sie seine Gemütsverfassung aus, da ein blühendes und vollkommenes Kunstwerkchen nicht in einer solchen selbst, sondern erst in der versöhnten Erinnerung entstehen kann. Die Zeilen dünkten den über seine plötzliche Kunst Verwunderten aber die schönste Musik; er vertrieb sich die öde Zeit, indem er ferner dergleichen Träume festhielt, und als er wieder von dem schlimmen Meierlein träumte, hämmerte er in stillem Ingrimm einige bittere Verse zurecht:

    Im Traum sah ich den schlimmen Jugendfeind, Mit dem ich in der Schule einst gesessen; Sein Name schon verdunkelt mir den Sinn, Wieviel der Jahre auch geflohn indessen!

    Als bärt'ge Männer trafen wir uns nun; Doch jeder trug annoch sein Bücherränzchen, Das warf er ab und rief dem andern zu, Die Fäuste ballend »He, willst du ein Tänzchen?«

    Wir rauften uns, er spie mir ins Gesicht, Ich unterlag in Schmach und wildem Bangen; Da bin in Schweiß und Tränen ich erwacht Und sah die Sonne kalt am Himmel prangen.

    Inzwischen erhielt er endlich wieder einen Brief von seiner Mutter, welche ihn beschwor, Nachricht von sich zu geben und, wie er sei, nach Hause zu kehren, auch wenn er gar nichts erreicht von allen Hoffnungen und alles verloren habe.
    Sie warf ihm vor, daß er sie zwinge, zuerst das Schweigen zu brechen, indem sie es nicht mehr aushalten könne, und erzählte ihm, ihren Kummer vergessend und des Schreibens froh, allerlei Dinge, unter anderen auch, wie sie geträumt habe, daß Heinrich, auf einem schönen Pferde reitend, in der Vaterstadt angekommen und vor dem Hause abgestiegen sei, was sie für eine günstige Vorbedeutung halten wolle.
    Es war ihm unmöglich, auch nur eine Zeile zur Erwiderung hervorzubringen; dagegen folgte dem ersten Schmerz über den rührenden Brief ein begieriges Aufsichladen einer verhängnisvollen Verschuldung, indem er sein ganzes Leben und sein Schicksal sich als seine Schuld beimaß und sich darin gefiel, in Ermangelung einer anderen, froheren Tätigkeit, diese Schuld als ein köstliches Gut und Schoßkind zu hätscheln, ohne welches ihm das Elend unerträglich gewesen wäre. Seine Traumgedichte vergessend, brachte er diese neue Leidseligkeit in gereimte Wortzeilen und feilte die folgenden mit so wehevollem Herzen aus, als ob er die schlimmsten Dinge verübt hätte:
    O ich erkenn das Unglück ganz und gar Und sehe jedes Glied an seiner Kette!
    Es ist vernünftig, liebenswürdig klar!
    Kein Schlag, den ich nicht ganz verschuldet hätte!

    Nicht zehnmal Ärgeres hat mir gebührt, Gerecht ist mir die Schale zugemessen!
    Doch zehnmal bittrer hab ich sie verspürt, Als ich im Glück zu träumen mich vermessen!

    Doch zehnmal leichter bring ich sie zum Mund, Als die Erinnrung einst sich noch entsinnet; Der quellenklare Perltrank ist gesund, Ich lieb ihn drum und weiß, woher er rinnet!

    Wenn er aber in dies Wesen sich recht hineingegrämt hatte, wobei ihn die traurigsten Erlebnisse unterstützten, die nicht erbaulich zu beschreiben wären, die er aber anfing mit Lust in sich hineinzutrinken, so schrieb er plötzlich voll guten Mutes, einem frischen Luftbauch Raum gebend:
    Ein Meister bin ich worden, Zu tragen Gram und Leid,

Und meine Kunst zu leiden
    Wird mir zur Seligkeit.

    Doch fühl ich auch zum Glücke In mir die volle Kraft
    Und werde leichtlich üben
    Die schönre Meisterschaft!

Auf einem goldnen Feuer
    Von Zimmet süß und echt
    Will zierlich ich verbrennen Das schnöde Dorngeflecht,

Das mir ums Haupt gelegen
    So viele Tage lang,
    Und lachend übertön ich
    Der Bettlerkrone Knistersang!

    Als er aber eines Abends nach seiner Wohnung zurückkehrte, sich auf die Dunkelheit und Vergessenheit der Nacht freuend, fand er die Wirtsleute darin, welche die ärmliche Stube eifrig aufräumten und zurechtmachten. Das Bett war schon weggenommen, die leeren Schränke standen spöttisch offen, sein Koffer war erbrochen und durchsucht, und dessen einziger Inhalt, Heinrichs Jugendgeschichte, lag zerblättert und zerknittert auf die Dielen geworfen. Die Wirtsleute kündigten ihm mit harten Worten an, daß er hier nicht länger

wohnen könne, sondern noch

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