Verlorene Eier
KAPITEL EINS
1
Dies ist die letzte Liebesgeschichte, die ich in meinem Leben erzählen werde.
Ich heiße Bill Greefe. Ich bin Engländer, mittleren Alters und lebe in einem viel zu alten und viel zu großen Haus in Shropshire, das dringend ein neues Dach braucht und das ich mir mit Spinnen, Fledermäusen und allerlei sonstigem Ungeziefer teile. Früher waren es mal Hühner. Und eine Zeitlang auch ein Hund. (Eric. Er konnte aber nicht bleiben und lebt jetzt bei einer Friseurin in Rhyl.) Und eine Ehefrau. Die blieb allerdings nur eine knappe Woche.
Sie hat mich verlassen. Sie musste ihr Leben anders gestalten. Sie litt unter saisonaler Gemütsstörung. Sie hasste das Landleben. Das Haus deprimierte sie. Ich deprimierte sie. Wir waren nicht die richtigen Partner füreinander. Ich würde irgendwann schon jemanden finden. Sie hatte bereits jemanden gefunden.
Einiges von dem, was sie sagte, mag gestimmt haben. Vielleicht auch alles. Oder gar nichts.
Heute schreibe ich Liebesromane. Doch die Welt – zumindest der Teil, der meine Bücher liest – kennt mich nicht als Bill Greefe. Nein, für sie bin ich Angela Huxtable, Autorin so wohlklingender Werke wie Lady Sarah und der Graf , Das Tor der Versuchung oder Die Liebe des Captains . Die Klappentexte dieser Bücher verraten nicht allzu viel über das Genie, aus dessen Feder sie geflossen sind. Abgesehen von der Liste der zwölf bisher erschienenen Werke geht nur daraus hervor, dass Angela Huxtable aus Übersee stammt – ihr Vater war ein angesehener Armeeoffizier, dessen Familie ihm dorthin folgte, wo er gerade stationiert war –, mit mehreren Pferden und Hunden auf einem Anwesen in den Midlands lebt und mit großem Erfolg Bienen züchtet.
Diese frei erfundenen biografischen Details, die Angela die nötige Authentizität und menschliche Tiefe verleihen sollen, stammen vom einzigen Menschen außer mir, der ihr Geheimnis – die Große Lüge, wie wir es nennen – kennt: Gerald Douglas, mein Agent. Aber heute ist am Telefon nichts von seiner gewohnten Ironie zu merken. Ich soll mich setzen, sagt er. Es gebe große Neuigkeiten. Mein amerikanischer Verlag wolle eine Million Dollar für die nächsten vier Bücher bieten. Gerald bemüht sich schon seit einer halben Ewigkeit, meine Vorschüsse in den Staaten in die Höhe zu treiben. »Der Markt für Romanzen drüben ist gewaltig. Wusstest du, dass jeder fünfte Amerikaner, der liest, auf Liebesschnulzen steht?«, war einer der ersten Sätze, die ich aus seinem Mund gehört habe.
»Wie traurig«, hatte ich damals erwidert.
»Das ist unsere Chance«, konterte er. »All diese Leute können unsere Leser sein.«
»Ich meinte, wie traurig für diejenigen, die nicht gern lesen.«
»Wahrscheinlich haben sie andere Methoden gefunden, ihrem armseligen Leben zu entfliehen.«
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Der Drang, meinem eigenen armseligen Leben zu entfliehen, war die Triebfeder, die mich überhaupt erst zur Schreiberei gebracht hat.
Aber egal. Laut Verleger gibt es jedenfalls einige »wichtige Vertragsdetails«, die Gerald gern persönlich mit mir besprechen möchte. Ob ich es einrichten könne, mich morgen mit ihm im Ivy zum Mittagessen zu treffen?, fragt er.
Ob ich es einrichten kann? Für eine Million Dollar setze ich mich sogar in einen Flieger zum Mars, verdammt noch mal!
2
Als ich das Restaurant betrete, sitzt Gerald bereits in seiner gewohnten Montur – cremefarbener Leinenanzug und gestreifte Krawatte dazu – am Tisch. Mit seinem langen, schmalen Gesicht, dem dichten Schopf drahtiger brauner Haare und den ruhelosen Augen hinter den kleinen runden Brillengläsern erinnert er mich jedes Mal an einen Geistlichen in Zivil.
»Bill, wie schön, dich zu sehen. Lass uns schnell bestellen und dann gleich zum Geschäftlichen kommen. Ich nehme die Austern und danach die Seezunge.« Er reicht mir die Speisekarte. »Und ich habe Champagner bestellt. Schließlich gibt es etwas zu feiern.«
Gerald ist ein echtes Phänomen: ein einsamer Wolf, der durch die endlos weiten Wälder des geschriebenen Wortes streift. Die Gerald Douglas Agency besteht, wie ich feststellte, als er mir endlich Zugang zu seinem Heiligtum gewährte, aus einem einzigen Raum in seinem Haus. Er hat noch nicht einmal eine Sekretärin. Doch er ist ein witziger Typ und ein gerissener Geschäftsmann. Wir mögen beide dieselben großen Schriftsteller, und abgesehen davon, dass er mit Vorliebe und in aller Ausgiebigkeit aus Monty
Weitere Kostenlose Bücher