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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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drein ebenfalls auf und davon.
    »Kommen Sie nur, Herr oder wer Sie sind!« sagte der Gärtner treuherzig, als er sah, daß Heinrich verblüfft dastand, »hier geht es nicht anders zu. Der Herr und das junge Fräulein stellen immer solche Geschichten auf, das sind wir schon gewohnt, und es hat noch nie ein schlimmes Ende genommen, sondern sich immer als richtig und erbaulich herausgestellt! Treten Sie nur in diese Kammer, wenn's beliebt, da hat die gute Dame einen ganzen Kram herschleppen lassen aus des Grafen Garderobe und selbst mitgetragen!«
    Heinrich ging demzufolge in die Kammer und fand da einen vollständigen Anzug vor vom Kopf bis zum Fuß, nebst feiner frischer Leibwäsche; nichts war vergessen, selbst die warme seidene Halsbinde nicht. Er wusch sich erst Gesicht und Hände und kämmte sein wirres Haar; dann kleidete er sich langsam und bedenklich an, und als er fertig war, getraute er sich nicht hervorzukommen, sondern setzte sich auf einen Stuhl und stellte allerlei Betrachtungen an. Da fiel sein Blick auf seine schlechten, beschmutzten Kleider, die am Boden lagen, und er schämte sich, daß er sie nun da lassen sollte, und wußte nicht, was mit ihnen zu beginnen sei, bis er sie wieder anzöge. »Wahrhaftig«, sagte er, »ganz, wie ich es geträumt! Nun, zum Teufel, solange das Leben so alle Traumgedichte überbietet, wollen wir munter sein!«
    Er glaubte sich endlich am besten aus der Sache zu ziehen, wenn er die armen Kleidchen ordentlich zusammenlegte. Er legte sie säuberlich auf einen Stuhl in der Ecke, stellte die zerrissenen Stiefelchen ehrbar unter den Stuhl, als ob es die feinste Fußbekleidung wäre, und machte sich endlich auf den Weg nach dem Saale.
    Dort fand er unversehens den Grafen vor nebst einem stattlichen katholischen Priester, die beide von der Jagd gekommen schienen; denn der Graf war im grünen Jagdkleide mit hohen Stiefeln, und der Geistliche trug noch über seinen wohlausgefüllten schwarzen Rock eine Weidtasche, und seine kanonischen Stiefeln waren arg voll Kot. Auf dem Boden lagen Hasen und Hühner nebst einem toten Reh, und am Tische lehnten die Gewehre. Der Graf selbst war ein großer schöner Mann, und Heinrich erkannte ihn sogleich wieder, nur daß seine Haare und sein Bart stark mit Grau gefärbt waren, was ihm indessen sehr wohl anstand. Er ging rasch auf Heinrich zu, schüttelte ihm die Hand und sagte »Das ist ja eine kostbare Geschichte, hören Sie! Nun sein Sie willkommen, junger Mann! Ich erinnere mich Ihrer noch sehr wohl und bin neugierig wie ein Stubenmädchen, was Sie uns zu erzählen haben werden.
    Morgen wollen wir des weitläufigsten plaudern, jetzt aber ungesäumt ans Abendbrot gehen! Herr Pfarrer! Sie werden nichts dagegen haben, kommen Sie!«
    Er faßte Heinrich unter den Arm, der Pfarrer gab der Dorothea den Arm, indem er einen höflichen Kratzfuß machte und ein schalkhaft lächelndes Gesicht schnitt, und so brach die Gesellschaft auf und ging durch einen langen Garten nach dem Hause, während die Gärtnerstochter ihrer Herrenfreundin mutwillig Gutnacht nachrief. Man trat jetzt in ein wohlgeheiztes behagliches Zimmer und setzte sich um einen runden Tisch, der bereits sehr elegant und stattlich gedeckt und angerichtet war, und Heinrich aß abermals und mit gutem Behagen, da das sichere und edle Wesen des gräflichen Mannes ihn vollständig aufgeweckt und beruhigt hatte. Denn für einen ordentlichen Menschen ist es fast ebenso wohltuend und erbaulich, einen wohlbestellten, schönen und rechten Mann zu sehen als schöne und gute Frauen.
    Die trefflichen Leute unterhielten sich heiter und behaglich, ohne Heinrich besonders in Anspruch zu nehmen, und es atmete alles, was sie sagten, ein festes und offenes Gemüt. Doch sagte der Graf nach einer Weile zu ihm »Es ist doch eine allerliebste Geschichte! Ei, erinnern Sie sich auch noch der Ursache unserer Bekanntschaft, der groben Schlingel, die Ihnen damals die Mütze abschlugen?«
    »Sicher«, sagte Heinrich lachend, »aber was diesen Punkt betrifft, so habe ich heute bei meinem Abzug jenen Einzugsgruß mit Zinsen zurückgegeben!«
    Er erzählte hierauf sein Abenteuer mit dem Flurschützen. Der Graf warf ihm einen feurigen Blick zu und sagte »Wenn Sie aber müde sind, so gehen Sie ohne Zaudern zu Bett, damit wir morgen desto munterer sind!«
    »Wenn Sie's erlauben!« sagte Heinrich, stand auf und machte die zierlichste Verbeugung, die er in seinem Leben je gemacht und von der er am Morgen nicht geträumt hätte,

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