By the way Greta
Kapitel 1
Endlich saß sie im Flugzeug.
Müde lehnte sie sich zurück, schloss die Augen und entspannte sich - oder besser: Sie versuchte sich zu entspannen. War sie nicht eben erst aus dem Flieger, der aus Chicago gekommen war, in München ausgestiegen? Und jetzt ging es ohne Unterbrechung die ganze Strecke über den großen Teich zurück? Immerhin nach New York. Ihre Lieblingsstadt.
Trotzdem ... wie verrückt bin ich eigentlich?, dachte Greta. Na ja, andere machen noch viel größeren Unsinn. Ihre Freundin Nathalie zum Beispiel: Die war letzte Woche dreimal bei Theresa , dem Top-Marken-Laden in der Stadt gewesen und hatte sich dort jeweils das gleiche Schuhpaar in drei verschiedenen Farben gekauft. Dabei muss man wissen, dass Nathalie nicht nur einen Schuh- sondern auch einen Taschen und Schaltick hatte. Bei ihr ging es einfach nie ohne "STS": Schuh passend zur Tasche und passend zum Schal. Es blieb also niemals nur bei den Schuhen.
Nathalie war Gretas beste Freundin und Vertraute, sie kannten sich seit Schulzeiten. Nathalie wusste natürlich auch von Gretas direktem Weiterflug nach New York - sie hatte Greta sogar darin bekräftigt, den Flug zu nehmen.
Greta war siebenundzwanzig Jahre alt und Stewardess bei der Lufthansa. Dreieinhalb Jahre war sie nun schon dabei und hatte in dieser Zeit so einiges an Bord und unterwegs gesehen. Privatflüge, wie dieser jetzt nach New York, konnte sie "Standby" fliegen - das heißt, wenn der Flieger nicht ausgebucht war und dann auch nur für zehn Prozent des Normalpreises.
Da kann man sich doch so einen Unsinn mal leisten, dachte Greta. Ja ... und außerdem: Es war nicht nur die Liebe zu New York, die sie den Flug hatte nehmen lassen. Es war auch die Liebe zu Mike! Das waren doch nun wirklich zwei ausreichend gute Gründe dafür, total groggy nach einem achtstündigen Dienst-Nachtflug hier zu sitzen, oder?
Weitere neun Stunden später würde sie ausgeruht, frisch geschminkt und parfümiert aussteigen. Und Mike wartet dann auf mich, ging ihr durch den Kopf ... Oder vielleicht doch nicht? Vielleicht muss ich ihn im Krankenhaus besuchen? Aber was würde dann passieren? Greta versuchte sich zu beruhigen. By the way, es kommt doch immer etwas danach!, sagte sie sich. Dieser Satz war irgendwie zu ihrem Leitsatz geworden. So ähnlich wie Scarlett in „Vom Winde verweht“ immer sagte: "Verschieben wir es auf morgen."
Nur war Greta kein Freund von Aufschüben.
Er - das war Mike und er war ein neues Thema in Gretas Leben.
Zwei Wochen zuvor:
Greta war auf einem Flug von München nach New York für die erste Klasse eingeteilt. In diesem Fall ein echter Glücksgriff. Üblicherweise war der Service in der ersten Klasse eher anstrengend, die Passagiere konnten ziemlich fordernd sein: Sonderwünsche mussten immer und sofort erfüllt werden. Dieses Mal aber war die erste Klasse nicht ausgebucht und damit gab es ausreichend Zeit, sich den Passagieren zu widmen und den Flug nach New York entspannter zu gestalten.
Greta stand zwischen den Sitzreihen der ersten Klasse, um die Gäste zu begrüßen, hatte ihr übliches, einstudiertes Lufthansa-Willkommen-Gesicht aufgesetzt und fühlte sich eigentlich ganz entspannt und gelöst. Gedanklich war sie schon in New York beim Shopping. Unbedingt wollte sie es diesmal zu Macy´s schaffen, dann den Gift Sale der Kosmetikmarke Bobby Brown mitnehmen und schließlich noch im Stadtteil Soho die neue Vintage-Boutique entdecken, die ihr Nathalie in der letzten Ausgabe der amerikanischen Instyle gezeigt hatte.
Tja, und dann stand er einfach vor ihr: groß, leicht gebräunt, sportliche Erscheinung, Dreitagebart, eine absolut coole Lederjacke über einem Used-Look T-Shirt und Darkdenim Jeans. Dazu Cowboy-Boots!
Ups, dachte Greta, ein Cowboy. Der fliegt bestimmt weiter nach Dallas. Und wo ist sein Cowboyhut?
"Kann ich meine Tasche hier unten stehen lassen?", fragte der Cowboy in absolut akzentfreiem Deutsch und deutete unter seinen Sitz.
Okay, dachte Greta, also doch kein Ami, vielleicht täusche ich mich ja auch mit dem Cowboy.
"Ja, sehr gerne", sagte sie. "Sie können die Tasche auch unter den Nachbarsitz stellen; die erste Klasse ist heute nicht ausgebucht, der Platz neben Ihnen bleibt frei."
Sie war dem Mann etwas näher gekommen und roch diesen unbeschreiblich leckeren Geruch, den das Leder seiner Jacke verströmte. Da war aber noch ein anderer Geruch dabei ... sein Aftershave vielleicht? Nein, Quatsch, er hatte ja einen Dreitagebart.
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