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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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daß er sie je machen würde; doch mußte er beinahe dazu lachen. Die kleine Gesellschaft lächelte ebenfalls freundlich, stand auf und entließ ihn mit Wohlwollen, worauf in einem guten Schlafzimmer er sich ins Bett warf und, ohne einen weitern Gedanken zu verlieren, sofort einschlief.

Zehntes Kapitel
    Heinrich schlief wie ein Murmeltier bis zwölf Uhr des andern Tages; eben erwachte er und rieb sich sehr zufrieden die Augen, als der Graf hereinkam und sich nach ihm umsah. »Guten Tag, mein Lieber! Wie geht's Ihnen?« sagte er und setzte sich an das Bett, »bleiben Sie ruhig liegen und duseln sich gemütlich aus!« Heinrich tat das auch und sagte »O es geht gut, Herr Graf!
    Wieviel Uhr ist es denn?« – »Es ist gerade zwölf Uhr«, erwiderte jener, »es freut mich, daß Sie in meinem Hause so gut geschlafen haben. Nun halten Sie vorerst eine gute Einkehr bei uns und tun Sie ganz, als ob Sie bei den besten und zuverlässigsten Freunden wären, von denen Sie wohl hergestellt und guten Mutes wieder auslaufen werden! Aber nun hören Sie, Sie sind mir ja ein köstlicher Gesell! Wir blieben gestern nacht noch ziemlich lange auf, und da wir von Ihnen sprachen, fiel uns ein, daß die Bildermappe noch im übel verschlossenen Gartensaale lag. Ich gehe selbst hin, sie zu holen, denn ich wünschte nicht, daß irgendein Unheil damit geschehe, und bemerke, daß auf dem Kaminsims ein kleines verkommenes Paketchen liegt; ich mußte lachen und dachte Gewiß sind dies die armütigen Effektchen unseres armen Kauzes von Vagabunden! Ich nahm es in die Hand und fand, daß die Hülle vom Regen und vom Tragen aufgelöst war und auseinanderfiel, und siehe da, statt etwa eines Strumpfes oder eines Schnupftuches, wie ich dachte, fällt mir ein ganz durchnäßtes Buch in die Hand; neugierig schlage ich es auf und sehe lauter Geschriebenes, und indem ich die erste Seite lese, vermute ich sogleich, daß Sie Ihre eigene Geschichte geschrieben haben. Ich sehe das Ding etwas genauer an und erkenne an den Data, daß es Ihre Jugendgeschichte ist, die Sie schon damals mit in die Fremde genommen haben und mit welchem Buche der Erinnerung, als Ihrer letzten Habseligkeit, Sie sich wieder aus dem Staube machen! Ich laufe mit den Sachen zurück und rufe: ›Seht, Leute! Unser Mensch schlägt sich mit seinem Jugendbuche durch Regen und Sturm, wie Vetter Camoens mit seinem Gedichte durch die Wellen! Der Spaß wird köstlich!‹ Dortchen nimmt das Buch und besieht es von allen Seiten. ›Ach du lieber Himmel‹, ruft sie, ›das arme Buch ist ja durch und durch naß und droht zugrunde zu gehen! Das muß sogleich getrocknet werden!‹ Es wird ein frisches Feuer in den Ofen gemacht, das Mädchen setzt sich auf ein Taburettchen davor und hält das Buch, die Blätter auseinanderschüttelnd und es umwendend und kehrend, sorgfältig an das Feuer, und in weniger als einer Viertelstunde ist das tapfere Werk heil und gerettet. Nun aber lasen wir noch länger als zwei Stunden darin, an verschiedenen Stellen, und wechselten mit dem Vorlesen ab, und diesen ganzen Vormittag hab ich auf meiner Stabe darin gelesen. Auf den letzten Blättern stehen einige Gedichte, die haben Sie allem Anscheine nach erst neulich gemacht und hineingeschrieben?« Heinrich bejahte dies und wurde rot, und der Graf fuhr fort »Ich will mich gar nicht entschuldigen für unsere Indiskretion; es macht sich so alles von selbst, und wir wollen unsere Unverschämtheit nun mit gänzlicher Freundschaftlichkeit abbüßen. Zuerst muß ich Sie einmal küssen, Sie sind ein allerliebster Kerl!«
    »Bitte, Herr Graf!« sagte Heinrich und duckte sich ein bißchen unter die Decke, »Sie sind allzu gütig; aber ich mache mir nicht viel daraus, Männer zu küssen!«
    »Ei, sieh da!« rief der treffliche Mann, »Sie schlaues Bürschchen! Aber trotz alledem müssen Sie mich doch ein bißchen wohl leiden, ich verlange es!«
    »O gewiß, sag ich Ihnen«, erwiderte Heinrich, mit schüchternen und doch zutulichen Worten; »ich kann Sie gar nicht genug ansehen, so sehr gefallen Sie meinen Augen und meinem Herzen!« Und er sah ihn dabei wirklich mit glänzenden Augen an.
    »Nun denn«, sagte der Graf mit feinem und gerührtem Lächeln, »so müssen Sie durchaus geküßt sein zur Besiegelung unseres guten Einvernehmens!« Er umarmte Heinrich und küßte ihn herzlich, und dieser küßte ihn, sein leises Sträuben aufgebend, herzhaft, und seine Augen füllten sich mit salzig heißem Wasser, da er endlich einen solchen

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