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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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zurückzuziehen. Die unzweideutige Genugtuung, welche in diesen groben Dichtungen waltete, war meinen angeregten Gefühlen wohltätig und gab ihnen Gestalt und Namen. Wir wußten die schönsten Geschichten bald auswendig und spielten sie, wo wir gingen und standen, mit immer neuer Lust ab, auf Estrichen und Höfen, in Wald und Berg, und ergänzten das Personal vorweg aus willfährigen Jungen, die in der Eile abgerichtet wurden. Aus diesen Spielen gingen nach und nach selbsterfundene, fortlaufende Geschichten und Abenteuer hervor, welche zuletzt dahin ausarteten, daß jeder seine große Herzens-und Rittergeschichte besaß, deren Verlauf er den andern mit allem Ernste berichtete, so daß wir uns in ein ungeheures Lügennetz verwoben und verstrickt sahen; denn wir trugen unsere erfundenen Erlebnisse gegenseitig einander so vor, als ob wir unbedingten Glauben forderten, und gewährten uns denselben auch, in eigennütziger Absicht, scheinbar. Mir ward diese trügliche Wahrhaftigkeit leicht, weil der Hauptgegenstand unserer Geschichten beiderseits immer eine glänzende und ausgezeichnete Dame unserer Stadt war und ich diejenige, welche ich für meine Lügen auserwählt, bald mit meiner wirklichen Neigung und Verehrung bekleidete. Daneben hatten wir mächtige Feinde und Nebenbuhler, als welche wir angesehene, ritterliche Offiziere bezeichneten, die wir oft zu Pferde sitzen sahen.
    Verborgene Reichtümer waren in unserer Gewalt, und wir bauten aus denselben wunderbare Schlösser an entlegenen Punkten, welche wir mit wichtiger Geschäftsmiene zu beaufsichtigen vorgaben. Jedoch beschäftigte sich die Einbildungskraft meines Genossen überdies mit allerhand Kniffen und Ränken und war eher auf Besitz und leibliches Wohlsein gerichtet, in welcher Beziehung er die sonderbarsten Dinge erfand, während ich alle Erfindungsgabe auf meine erwählte Geliebte verwandte und seine kleinlichen und mühsamen Geldverhältnisse, welche er unablässig zusammenträumte, mit einer kolossalen Lüge von einem gehobenen unermeßlichen Schatze überbot und kurz abfertigte. Dieses mochte ihn ärgern, und während ich, zufrieden in meiner ersonnenen Welt, mich wenig um die Wahrheit seiner Prahlereien bekümmerte, fing er an, mich mit Zweifeln an der Wahrheit der meinigen zu quälen und auf Beweise zu dringen. Als ich einst flüchtig von einer mit Gold und Silber gefüllten Kiste erzählte, welche ich in unserm Kellergewölbe stehen hätte, drang er auf das heftigste darauf, dieselbe zu sehen. Ich gab ihm eine Stunde an, zu welcher dies möglich wäre, und er fand sich pünktlich ein und versetzte mich in eine Verlegenheit, an welche ich im mindesten bisher noch nie gedacht hatte. Aber schnell hieß ich ihn eine Weile warten vor dem Hause und eilte in die Stube zurück, wo in dem Sekretär meiner Mutter ein altertümliches hölzernes Kästchen stand, welches einen kleinen Schatz an alten und neuen Silbermünzen und einige Dukaten enthielt. Dieser Schatz umfaßte einesteils die Patengeschenke aus der Kinderzeit meiner Mutter, andersteils meine eigenen und war sämtlich mein erklärtes Eigentum. Die Hauptzierde aber war eine mächtige goldene Schaumünze von der Größe eines Talers und bedeutendem Werte, welche Frau Margret in einer guten Stunde mir geschenkt und der Mutter zum sichern Verwahrsam eingehändigt hatte zum treuen Angedenken, wenn ich einst erwachsen, sie hingegen nicht mehr sein werde.
    Ich durfte das Kästchen hervornehmen und den glänzenden Schatz beschauen, sooft ich wollte, auch hatte ich denselben schon in allen Gegenden des Hauses herumgetragen. Ich nahm ihn also jetzt und trug ihn in das Gewölbe hinunter und legte das Kästchen in eine Kiste, welche mit Stroh gefüllt war. Dann hieß ich den Zweifler mit geheimnisvoller Gebärde hereinkommen, lüftete den Deckel der Kiste ein wenig und zog das Kästchen hervor. Als ich es öffnete, blinkten ihm die blanken Silberstücke gar hell entgegen, als ich aber die Dukaten und zuletzt die große Münze hervornahm, daß sie im Zwielichte seltsam funkelte und der alte Schweizer mit dem Banner, der darauf geprägt war, sowie der Kranz von Wappenschilden zutage traten, da machte er große Augen und wollte mit allen fünf Fingern in das Kästchen fahren. Ich schlug es aber zu, legte es wieder in die Kiste und sagte: »Siehst du, solcher Dinge ist die Kiste voll!« Damit schob ich ihn aus dem Keller und zog den Schüssel ab.
    Er war nun für einmal geschlagen, denn obgleich er von der

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