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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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hielt Armband und Ring in die Hand gepreßt, und die Kette quoll teilweise zwischen den Fingern hervor; in der Höhe ertönten Tritte, welche von allen Seiten widerhallten, und jemand rief herunter, wer da sei? Doch hielt ich mich still, man konnte mich nicht sehen und ging wieder, Türen hinter sich zuschlagend. Nun stieg ich langsam die Treppe hinan, mich vorsichtig umsehend; an allen Wänden hingen große Ölgemälde, entweder wunderliche Landschaften oder Ahnenbilder enthaltend; die Decken waren in weißer, reicher Stukkatur gearbeitet mit kleinen Fresken dazwischen, und in abgemessenen Entfernungen standen hohe dunkelbraune Türen von Nußbaumholz, eingefaßt von Säulen und Giebeln von der gleichen Art, alles glänzend poliert. Jeder meiner Schritte erweckte Geräusch in den Wölbungen, ich wagte kaum zu gehen und dachte doch nicht daran, was ich sagen wollte, wenn ich überrascht würde. Vor jeder Tür lag eine Strohmatte, aber vor einer allein lag eine besonders reich und zierlich geflochtene von farbigem Stroh; daneben stand ein altes, vergoldetes Tischchen und auf diesem ein Arbeitskörbchen mit Strickzeug, einigen Äpfeln und einem hübschen, silbernen Messerchen zuäußerst am Rande, als ob es soeben hingestellt wäre. Ich vermutete, daß hier der Aufenthalt der Dame sei, und im Augenblicke nur an sie denkend, legte ich meine Kleinodien mitten auf die Matte, nur den Ring zuunterst in das Körbchen auf einen feinen Handschuh. Dann aber eilte ich trepphinunter aus dem Hause, wo ich meinen Quälgeist ungeduldig meiner wartend fand. »Hast du es getan?« rief er mir entgegen. »Ja freilich«, erwiderte ich mit leichterem Herzen. »Das ist nicht wahr«, sagte er wieder, »sie sitzt ja die ganze Zeit an jenem Fenster dort und hat sich nicht gerührt.« Wirklich war die schöne Frau hinter dem glänzenden Fenster sichtbar und gerade in der Gegend des Hauses, wo jene Zimmertür sein mochte. Ich erschrak heftig, sagte aber »Ich schwöre dir, ich habe die Kette und das Armband zu ihren Füßen gelegt und den Rind an ihren Finger gesteckt!« – »Bei Gott?« – »Ja, bei Gott!« rief ich. »Nun mußt du ihr aber noch eine Kußhand zuwerfen, und wenn du es nicht tust, so hast du falsch geschworen; sieh, sie schaut gerade herunter!« Wirklich ruhten ihre glänzenden frohen Augen auf uns; aber der Einfall meines Freundes war ein teuflischer; denn lieber hätte ich dem Teufel selbst ins Gesicht gespieen, als diese Zumutung erfüllt. Durch meinen jesuitischen Schwur war ich aber erst recht in die Klemme geraten, es war kein Ausweg. Rasch küßte ich meine Hand und bewegte sie gegen das Fenster hinauf. Das Mädchen hatte uns aufmerksam angesehen und lachte nun ganz unbändig, indem es freundlich herunternickte; doch ich lief, so schnell ich konnte, davon. Das Maß war gefüllt, und als mein Gefährte mich in der nächsten Straße wieder erreichte, trat ich bleich vor ihn hin und sagte: »Wie ist's eigentlich mit deiner Salamiwurst? meinst du, dieselbe sei hinreichend, dergleichen Sachen, wie ich bestehe, das Gegengewicht zu halten?« Damit warf ich ihn unversehens nieder und schlug ihn mit der Faust ins Gesicht, bis mich ein Mann weghob und rief: »Die Teufelsjungen müssen sich doch immer raufen!«
    Das war das allererste Mal in meinem Leben, daß ich einen Schul-und Jugendgenossen schlug; ich konnte denselben nicht mehr ansehen, und zugleich war ich vom Lügen für einmal gründlich geheilt.
    In dem lesebeflissenen Hause wurden indessen der Vorrat an schlechten Büchern und die Torheit immer größer. Die Alten sahen mit seltsamer Freude zu, wie die armen Töchter immer tiefer in ein einfältig verbuhltes Wesen hineingerieten, Liebhaber auf Liebhaber wechselten und doch von keinem heimgeführt wurden, so daß sie mitten in der übelriechenden Bibliothek sitzenblieben mit einer Herde kleiner Kinder, welche mit den zerlesenen Büchern spielten und dieselben zerrissen. Die Lesewut wuchs nichtsdestominder fortwährend, weil sie nun Zank, Not und Sorge vergessen ließ, so daß man in der Behausung nichts sah als Bücher, aufgehängte Windeln und die vielfältigen Erinnerungen an die Galanterie der ungetreuen Ritter, als gemalte Blumenkränze mit Sprüchen, Stammbücher voll verliebter Verse und Freundschaftstempel, künstliche Ostereier, in welchen ein kleiner Amor verborgen lag, und dergleichen. Alles in allem genommen will es mir scheinen, daß auch dieses Elend sowohl wie das entgegengesetzte Extrem, die religiöse

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