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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Unwirklichkeit unserer Märchen überzeugt war, so gestattete ihm doch der bisher festgehaltene Ton unseres Verkehrs nicht, weiterzudringen, da es auch hier die rücksichtsvolle Höflichkeit des Lebens erforderte, den mit guter Manier vorgetragenen blauen Dunst bestehen zu lassen. Vielmehr gab meinem Freunde diese vorläufige Toleranz Gelegenheit, mich zu weiteren Lügen zu reizen und auf immer bedenklichere Proben zu stellen.
    Wir trafen bald darauf, als es gerade Meßzeit war, am Seeufer zusammen, vor den Krambuden flanierend, welche dort in langen Reihen aufgeschlagen waren, und begrüßten uns wie Macbeths Hexen mit: »Was hast du geschafft?«
    Wir standen vor dem Magazine eines Italieners, welcher neben südlichen Eßwaren auch glänzende Bijouterien und Spielereien feilbot. Feigen, Mandeln und Datteln, Kisten voll reinlich weißer Makkaroni, besonders aber Berge ungeheurer Salamiwürste reizten den Sinn meines Gesellen zu kühnen Phantasien, indessen ich zierliche Frauenkämme, Ölfläschchen und Schalen voll schwarzer Räucherkerzchen betrachtete und ungefähr dachte, wo diese Dinge gebraucht würden, da wäre es gut sein. »Ich habe soeben«, begann mein Lügengefährte, »solch eine Salamiwurst gekauft, zur Probe, ob ich für mein nächstes Bankett eine Kiste voll anschaffen soll. Ich habe sie angebissen, fand sie aber abscheulich und schleuderte sie in den See hinaus; die Wurst muß noch dort schwimmen, ich sah sie den Augenblick noch.« Wir blickten auf den schimmernden Wellenspiegel hinaus, wo zwischen den Marktschiffen wohl etwa ein Apfel oder ein Salatblatt umhertrieb, aber keine Salami zu sehen war.
    »Ei, es wird wohl ein Hecht danach geschnappt haben!« sagte ich gutmütig, und er gab diese Möglichkeit zu und fragte mich, ob ich nicht auch Einkäufe machen wolle? »Freilich«, erwiderte ich, »ich möchte wohl diese Kette haben für meine Geliebte!« und wies auf eine unechte, aber schön vergoldete Halskette. Jetzt ließ er mich nicht mehr los, sondern umwickelte mich mit einem moralischen Zwangsnetze, indem ihm die Neugierde, ob ich wirklich über meinen geheimnisvollen Schatz zu verfügen hätte, die Worte dazu lieh.
    So hatte ich keinen andern Ausweg, als nach Hause zu laufen und mir mit meinem Sparkästchen zu schaffen zu machen. Einige Augenblicke nachher ging ich wieder davon, einige glänzende Silberstücke in der festverschlossenen Hand, mit klopfender Brust dem Markte zu, wo mein lauernder Dämon mich empfing. Wir handelten um die Kette oder gaben vielmehr, was der Italiener forderte, ich wählte noch ein Armband von Achatschildern und einen Ring mit einer roten Glaspaste; der Kaufmann besah mich und die schönen Gulden mit wunderlichen Blicken, steckte sie aber nichtsdestoweniger ein; ich aber wurde schon auf dem Wege nach dem Hause fortgedrängt, wo meine Dame wohnte.
    Auf einem abgelegenen Platze standen etwa sechs Patrizierhäuser, deren Besitzer sich durch den Seidenhandel auf der Höhe früherer Vornehmheit erhielten. Weder eine Schenke noch ein sonstiges niederes Gewerbe zeigte sich in dieser Gegend, welche still und einsam in ihrer Reinlichkeit ruhte; das Pflaster war weißer und besser als in anderen Stadtteilen, und kostbare eiserne Gartengeländer begrenzten dasselbe. In dem größten und vornehmsten dieser Paläste wohnte der Gegenstand meiner Lügen, eine jener jungen, anmutigen Damen, welche, schön und elegant gewachsen, mit rosiger Gesichtsfarbe, großen, lachenden Augen und freundlichen Lippen, mit reichen Locken, wehenden Schleiern und seidenen Gewändern die Unerfahrenheit berücken und selbst gefurchte Stirnen aufheitern, solange sie durch Unschuld liebenswürdig sind. Wir standen schon vor dem prächtigen Portale, und mein Begleiter schloß seine Überredungen, daß ich jetzt oder nie meiner Gebieterin die Geschenke überbringen müßte, endlich dadurch, daß er frech den goldenen Griff der Hausglocke packte und anzog. Aber trotz seiner Frechheit, würde ein Aristokrat sagen, reichte doch die Energie seines Plebejertumes nicht aus, ein kräftiges Geklingel hervorzubringen; es gab nur einen einzigen zaghaften Ton, welcher im Innern des großen Hauses verhallte. Nach einigen Sekunden ruckte der eine Torflügel um ein Unmerkliches, und mein Begleiter schob mich hinein, was ich, aus Furcht vor allem Geräusche, willenlos geschehen ließ. Da stand ich in unsäglicher Beklemmung neben einer breiten steinernen Treppe, welche sich oben zwischen geräumigen Galerien verlor. Ich

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