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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Zuge seines Herzens zu folgen. Indem er als einziges Kind bei seiner vorsichtigen und haushälterischen Mutter lebte, welche, während er seinen Träumen nachhing, ihm sozusagen den Löffel in die Hand gab, geschah es selten, daß er mit etwelcher Münze versehen, und wenn er es war, so brannte sie ihm in der Hand, bis er sie ausgegeben hatte. So kam es, daß ihn immer ein Schrecken überfiel, sobald er von fern einen Bettler ahnte und ihm auszuweichen suchte.
    Konnte dies nicht geschehen, so ging er rasch abweisend vorbei, und wenn der Bettler nachlief, hüllte er seine Verlegenheit in einen rauhen, unwilligen Ton, wobei aber sein weißes Gesicht eine flammende Röte überlief. Er konnte so rechte Unglückstage haben, wo er viele und verschiedenste arme Teufel antraf, ohne einem einzigen etwas geben zu können, und er mußte fortwährend ein böses Gesicht machen; denn als er einst ganz gemütlich und vertraulich einem großen Schlingel gesagt hatte, er besäße selbst kein Geld, forderte ihn dieser höhnisch auf, mit ihm betteln zu gehen. In allem diesen lag nun freilich, wie viele Leute sagen würden, mehr ein unbefugter Hochmut als eine demütige Barmherzigkeit; vielleicht aber könnte man auch sagen Es ist die königliche Gesinnung eines ursprünglichen und reinen Menschen, welche, allgemein verbreitet, die Gesellschaft in eine Republik von lauter liebevollen und wahrhaft adelig gesinnten Königen verwandeln würde; es ist die immerwährende Erhebung des Herzens, welche nach der Tat trachtet; es ist die göttliche Einfalt, welche nur ein Ja und ein Nein kennt und letzteres verwahrt und verbirgt wie ein schneidendes Schwert.
    Wenigstens fahr Heinrich wie ein wahrer König in die helle Welt hinaus. Er war nun sich selbst überlassen und konnte in den Kreis seines Geschickes aufnehmen, was sein leichtes Herz begehrte; und indem er gewissenhaft den Armen seinen Kreuzer mitteilte, rechnete er dieses zu den seinem Leben nötigen Ausgaben. Er dachte übermütig Zwei Pfennige sind immer genug, um den einen wegzuschenken! und so trug er wenige Taler in der Tasche, aber ein Herz voll Hoffnung und blühenden Weltmutes in der Brust. Wäre er ein König dieser Welt gewesen, so hätte er vermutlich viele Millionen »verschleudert«, so aber konnte er nichts vergeuden als das wenige, was er besaß seines und seiner Mutter Leben.
    Gegen Mittag fuhr der Postwagen durch ein großes ansehnliches Dorf, wie sie in der flachern Schweiz häufig sind, wo Fleiß und Betriebsamkeit, im Lichte fröhlicher Aufklärung und unter oder vielmehr auf den Flügeln der Freiheit, aus dem schönen Lande nur eine freie und offene Stadt erbauen. Weiß und glänzend standen die Häuser längs der breiten sauberen Landstraße, dehnten sich aber auch in die Runde, mannigfaltig durch Baumgärten schimmernd. Auch vor dem geringsten war ein Blumengärtchen zu sehen, und im ärmsten derselben blühten eine Hyazinthe oder einige Tulpen hervor, Pflanzen, welche sonst nur von Vermöglicheren gezogen wurden. Es ist aber auch nichts so erbaulich, als wenn durch einen ganzen Landstrich eine fromme Blumenliebe herrscht. Ohne daß die Hausväter im geringsten etwa unnütze Ausgaben zu beklagen hätten, wissen die Frauen und Töchter durch allerlei liebenswürdigen Verkehr ihren Gärten und Fenstern jede Zierde zu verschaffen, welche etwa noch fehlen mag, und wenn eine neue Pflanze in die Gegend kommt, so wird das Mitteilen von Reisern, Samen, Knollen und Zwiebeln so eifrig und sorgsam betrieben, es herrschen so strenge Gesetze der Gefälligkeit und des Anstandes darüber, daß in kurzer Zeit jedes Haus im Besitze des neuen Blumenwunders ist. So sind in neuerer Zeit eine der schönsten Erscheinungen die Georginen. Vor zehn oder fünfzehn Jahren blühten sie nur noch in den stattlich umhegten Gärten der Reichen, in der Nähe der Städte oder vor glänzenden Landhäusern; dann verbreiteten sie sich unter dem Mittelstande, sich zugleich in hundertfarbigen Arten entfaltend durch die Kunst der Gärtner, und jetzt steht ein Strauch dieser merkwürdigen Blume, wo nur ein Fleck Erde vor der Hütte des ländlichen Tagelöhners frei ist. Wie die flüchtig wandernden Stammväter eines später großen Weltvolkes sind die ersten einfachen Exemplare der Georginen aus dem fernen Reiche der Montezumas herübergekommen, und schon bedecken ihre Enkel zahllos unsere Gärten, aus der Tiefe ihrer Lebenskraft entwickeln sie eine endlose Farbenpracht, wie sie die Hochebenen Mexikos nie

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