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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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beiden nachlaufen, wenn dir beide angenehm sind, das ist einfacher, als sich für eine zu entschließen! Und vielleicht wirst du recht haben! Was mich betrifft, so wisse: Das Auge ist der Urheber und der Erhalter oder Vernichter der Liebe; ich kann mir vornehmen, treu zu sein, das Auge nimmt sich nichts vor, das gehorcht der Kette der ewigen Naturgesetze Luther hat nur als Normalmensch gesprochen, wenn er sagte, er könne kein Weib ansehen, ohne ihrer zu begehren! Erst durch ein Weib von solcher Reinheit von allem eigensinnigen, kränklichen und absonderlichen Beiwerke, durch ein Weib von so unverwüstlicher Gesundheit, Heiterkeit, Güte und Klugheit wie diese Rosalie könnte ich für immer gefesselt werden. Wie beschämt sehe ich nun ein, welch eine vergängliche Spezialität ich in jener Agnes mir zu verbinden im Begriffe war! Du aber schäme dich ebenfalls, als ein leeres Schema in der Welt herumzulaufen wie ein Schatten ohne Körper! Suche, daß du endlich einen Inhalt, eine ausfüllende Leidenschaft bekommst, anstatt andern mit deinem Wortgeklingel beschwerlich zu fallen!«
    Mehrfach beleidigt schwieg ich einige Minuten. Ohne es zu wissen, hatte Lys mit den zwei Weibern, die er mir in Aussicht stellte, etwas Wahres getroffen, insofern ich ja noch als halbes Kind schon auf ähnlichen Wegen geirrt war. Und doch wollte ich mich nicht mit ihm vergleichen lassen; der genossene Wein, die mehr als vierundzwanzigstündige mannigfache Aufregung taten auch das Ihrige, meine Streitlust zu entflammen, und ich begann daher wieder mit entschiedener Stimme: »Nach deiner vorhinnigen Äußerung zu urteilen, bist du also nicht sehr willens, dem Mädchen die Hoffnungen, die du ihr leichtsinnigerweise erregt, zu erfüllen?«
    »Ich habe keine Hoffnungen gemacht«, sagte Lys, »ich bin frei und Herr meines Willens, gegen jedes Frauenzimmer sowohl wie gegen alle Welt!
    Wenn ich übrigens für das gute Kind etwas tun kann, so werde ich ihr ein wahrer und uneigennütziger Freund sein, ohne Ziererei und ohne Phrasen! Und zum letzten Mal gesagt Kümmere dich nicht um meine Liebschaften oder Nichtliebschaften, ich weise es durchaus ab!«
    »Ich werde mich aber darum kümmern!« rief ich, »entweder sollst du einmal Treue und Ehre halten, oder ich will es dir in die Seele hinein beweisen, daß du unrecht tust! Das kommt aber nur von dem trostlosen Atheismus! Wo kein Gott ist, da ist kein Salz und kein Halt!«
    Lys lachte laut auf, da er antwortete: »Nun, dein Gott sei gelobt! Dacht ich doch, daß du schließlich noch in diesen Hafen der Glückseligkeit einlaufen würdest! Ich bitte dich aber jetzt, grüner Heinrich, laß den lieben Gott aus dem Spiele, der hat hier ganz und gar nichts zu schaffen! Ich versichere dich, ich würde mit ihm wie ohne ihn ganz der gleiche sein! Das hängt nicht von meinem Glauben, sondern von meinen Augen, von meinem Hirn, von meinem ganzen körperlichen Wesen ab!«
    »Jedenfalls von deinem Herzen!« rief ich zornig und außer mir; »ja, sagen wir es nur heraus, nicht dein Kopf, sondern dein Herz kennt keinen Gott! Dein Glauben oder vielmehr Nichtglauben ist dein Charakter!«
    »Nun hab ich genug!« donnerte Lys mit starker Stimme und kehrte sich stehenbleibend gegen mich; »obgleich es ein Unsinn ist, den du sprichst, der an sich nicht beschimpfen kann, so weiß ich, wie du es meinst; denn ich kenne diese unverschämte Sprache der Hirnspinner und Fanatiker, die ich dir nie zugetraut hätte! Sogleich nimm zurück, was du gesagt hast! Ich lasse nicht ungestraft meinen Charakter antasten!«
    »Nichts nehm ich zurück! Nun wollen wir sehen, wie weit deine gottlose Tollheit dich führt!« Dies sagte ich mit wilder Streitlust; Lys aber antwortete mit bitterer verdrußvoller Stimme: »Genug des Scheltens! Du bist von mir gefordert! Und zwar mit Tagesanbruch halte dich bereit, einmal mit der Waffe in der Hand für deinen Gott einzustehen, für den du so weidlich zu schimpfen weißt. Sorge für deinen Beistand, der meinige wird in zwei Stunden da und da zu finden sein, um alles übrige zu besorgen.« Er bezeichnete einen Ort, wo voraussichtlich die ganze Nacht der Verkehr des Festes mit seinen Nachklängen fortdauerte. Dann wandte er sich und ging mit raschen Schritten vorwärts, da der Weg besser geworden. Ich selber sprang auf die Straße hinüber, die während unseres Streites längst leer und still geworden. Das war nun das Ende des schönen Festes! Der Mond warf meinen eigenen Schatten vor mir her, als ich mitten

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