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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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auf der Straße ging, und ich sah die Zipfel meiner Narrenkappe deutlich auf derselben abgezeichnet. Allein das half nichts das Licht der Vernunft war erloschen; ich eilte meines Weges, um für den Zweikampf meine Helfershelfer zu suchen.
    Schon vor wenigstens sechs Jahren hatte ich von einem Polen, der in unserm Hause ein kleines Zimmer bewohnte, etwas fechten gelernt. Es war einer jener stattlichen, hochgewachsenen Militärs, wie sie aus der Revolution von 1831 als Flüchtlinge bekannt geworden und seither ziemlich aus der Welt oder wenigstens aus der Emigration verschwunden sind. Von vornehmer Geburt und ein gewesener Reiteroffizier, brachte er sich geschickt und redlich durch und fügte sich in die bescheidenste Lebensart, in jede Arbeit, war immer heiter und liebenswürdig, ausgenommen wenn er von den Schlachten und dem Unglücke seines Vaterlandes, von seinem Hasse gegen Rußland sprach.
    Obgleich gut katholisch erzogen, rief er dann jedesmal voll Bitterkeit, es sei kein Gott im Himmel, sonst hätte er die Polen nicht in die Hand des Russen gegeben. Der mochte mich wohl leiden, und um mir irgendeine Freundlichkeit oder Wohltat zu erweisen und weil er gerade nichts anderes hatte, ruhte er nicht, bis er mir einigen Unterricht in der Fechtkunst geben konnte. Aus eigener Tasche kaufte er zwei Stoßrapiere oder Fleurets, Drahtmasken und andern Zubehör und ging mit mir täglich eine Stunde auf den großen Estrich unter dem Dache, wo er mich dazu brachte, eine erste Schule notdürftig durchzumachen, und er tat es mit solcher Liebe und Ausdauer, als ob es sich um das Goldmachen handelte, bis ihn eine Schicksalswendung aus unserer Gegend hinwegführte. In der Stadt, wo ich jetzt lebte, hatte ich bei studierenden Landsleuten, mit denen ich zuweilen verkehrte und die sich Fechtapparate auf dem Zimmer hielten, manchmal wieder den einen oder andern Gang versucht, ohne an etwas anderes als an einen vorübergehenden Zeitvertreib zu denken. Einen oder zwei der jungen Leute dachte ich jetzt sicher noch an ihrem gewohnten Versammlungsorte zu treffen, um ihren Beistand in Anspruch zu nehmen, und fand sie auch in der verwegenen Stimmung, welche der späten Stunde und meinen Wünschen entsprach. Sie begaben sich sofort dahin, wo die Vertrauten meines Gegners sie erwarteten.
    Bald kamen sie mit der Verabredung zurück, daß der Duellhandel morgens um sechs Uhr in Lysens Wohnung vor sich gehen solle. Lys habe hervorgehoben, daß er ganz allein darin hause und also keine Zeugen zu befürchten seien; ferner könne er, wenn er verwundet werde, sich gleich in sein eigenes Bett legen und in der Stille geheilt werden oder sterben, der Gegner aber mit aller Sicherheit und Muße abreisen. Treffe es aber mich, so könne ich dort an seiner Stelle mich zunächst hinlegen, indessen er sich aus dem Staube mache.
    Für einen Arzt, hieß es, sei auch schon gesorgt, ebenso für die Waffen, als welche ich Stoßdegen oder sogenannte Pariser, die einzigen, die ich etwas zu führen verstand, vorgeschlagen hatte, zumal ich wußte, daß auch Lys damit umgehen konnte.
    Wie er den kurzen Rest der Nacht verbracht, habe ich nicht erfahren; was mich betrifft, so blieb ich mit meinen Ratgebern sitzen, da wir fanden, das gefährliche Abenteuer sei besser als Schluß der ganzen Feststrapaze zu bestehen, mit der es sozusagen in einem hinginge, als wenn ich nach unzureichender Ruhe, aus tiefem Schlafe geweckt und ohne Zusammenhang der Gedanken, fechten müßte. So kam ich nicht einmal dazu, den Anzug zu wechseln, und wenn mich das Geschick getroffen hätte, so wäre ich in der Gestalt eines erstochenen Narren weggetragen worden.
    Trotzdem überfiel mich die Müdigkeit; ich schlummerte ein und lag zuletzt mit dem Kopfe schlafend auf dem Tische, während die andern mit ab-und zugehenden Nachzüglern und Spätlingen eine Bowle heißen Punsch tranken.
    Auch ich stürzte noch ein Glas hinunter, als ich mit dem Morgengrauen aufgerüttelt wurde, mich aber durch den kurzen Schlaf keineswegs erquickt oder ernüchtert fand. Doch erinnere ich mich wie aus einem Traume, daß ich gleich den zweien, die mit mir kamen, mit tiefem Ernst durch die Straßen ging und in Lysens stille Wohnung trat, wo er mit zwei oder drei jungen Männern ebenso ernst und kalt uns erwartete.
    Wir standen alle in dem geräumigsten seiner Zimmer, vor dem Bilde mit den Spöttern; die Morgendämmerung ließ die aus dem Dunkel hervorleuchtenden Figuren wie belebt erscheinen, als ob sie der Dinge gewärtig

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