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Der grüne Strahl

Der grüne Strahl

Titel: Der grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Miß Campbell noch am Leben ist, genügt es, wenn ich auch allein komme.
    – Olivier, riefen die beiden Onkels, welche ihr Schluchzen nicht zurückzuhalten vermochten, Olivier, retten Sie unsere Tochter!«
    Der junge Mann drückte ihnen die Hand, dann sprang er in das Boot, setzte sich auf die Mittelbank desselben, ergriff die Riemen und gelangte mit zwei Ruderschlägen geschickt in die Mitte des Wirbels, wo er den Rückfluß einer ungeheuren Woge erwartete, die ihn gerade vor dem Eingange der Fingalshöhle traf.
    Hier wurde das Boot hoch emporgeschleudert, doch gelang es dem muthigen jungen Mann, dasselbe durch gewandtes Manövriren in gerader Linie zu erhalten; hätte es sich zur Seite gewendet, so mußte es rettungslos kentern.
    Jetzt warf das zürnende Meer das gebrechliche Fahrzeug fast bis zur Höhe der Wölbung; man hätte glauben können, daß diese Nußschale an der Felsenwand zerschellen müsse, als die Woge aber zurücksank, trug sie es mit unwiderstehlicher Gewalt wieder nach der Außenseite der Höhle hinaus.
    Dreimal wurde das Boot so hin und her geschleudert, einmal hinein-und dann wieder hinausgeworfen, ohne noch durch die vor dem Eingange sich stauenden Wassermassen gelangen zu können. Mit voller Kaltblütigkeit hielt sich Olivier Sinclair mittelst seiner Riemen.
    Endlich faßte ein noch höherer Wellenkamm das Canot; es schwankte einen Augenblick auf dem Rücken des flüssigen Ungeheuers, fast in gleicher Höhe mit dem Plateau der Insel; dann gähnte plötzlich ein tiefer Abgrund auf und Olivier Sinclair wurde in schräger Richtung, wie auf der herabstürzenden Wand eines Wasserfalles, hinuntergeschleudert.
    Ein Schreckensschrei entrang sich den Zuschauern dieser Scene. Es schien, als ob das Fahrzeug unwiderstehlich an den linken Eingangspfeilern zerschmettert werden müßte.
    Der unerschrockene junge Mann wendete jedoch sein Boot durch einen kräftigen Ruderschlag und verschwand, nachdem er einmal den Eingang erreicht, noch ehe das Wasser sich wieder zu riesenhaftem Schwall erhoben, mit der Schnelligkeit eines Pfeiles im Innern der Höhle.
    Eine Secunde später donnerten die Wogen wieder hinein und schäumten bis zum oberen Rande des Eilandes auf.
    Würde das Boot nun im Hintergrunde der Grotte zerschellen und sollte man zwei Opfer statt eines zu zählen haben? Glücklicher Weise nein. Olivier Sinclair war schnell und ohne anzustoßen unter der ungleichen Deckenwölbung hinweggeglitten.
    Indem er sich platt in das Boot warf, entging er dem sonst unvermeidlichen Anstoßen an hervorstehende Säulenenden. Während des Zeitraumes einer Secunde flog er wieder gegen die anderen Seitenwände und fürchtete nur, wieder hinausgeworfen zu werden, ehe es ihm gelang, irgend einen hervorragenden Haltepunkt im Hintergrunde zu gewinnen. Da stieß das Boot, in Folge der in sich selbst verlaufenden Wellenbewegung, nur schwach an die Pfeiler jener Orgelempore, die sich im Schiffe der Fingalshöhle erhebt; dennoch barst es mitten entzwei; Olivier Sinclair vermochte jedoch ein Basaltstück zu packen, sich daran mit allen Kräften festzuklammern und dann über das Wasser emporzuringen.
    Nur einen Augenblick später erfaßte eine rückströmende Woge die Trümmer des Bootes, welche hinausgeschleudert wurden, und mit dem Gedanken, daß der kühne Retter seinen Untergang gefunden habe, sahen die Brüder Melvill und Patridge dieselben hinausgetragen werden.
Einundzwanzigstes Capitel.
Ein voller Sturm in einer Höhle.
    Olivier Sinclair war heil und gesund und für den Augenblick auch in Sicherheit. Die hier herrschende Dunkelheit verhinderte ihn zuerst, irgend etwas zu erkennen. Der matte Schein der Abenddämmerung drang nur in der Zeit zwischen zwei Wogen ein, wenn das Wasser den Eingang zur Grotte nur zur Hälfte anfüllte.
    Olivier Sinclair suchte zu entdecken, wo Miß Campbell eine Zuflucht gefunden habe… vergeblich.
    Er rief laut:
    »Miß Campbell! Miß Campbell!«
    Wie könnten wir beschreiben, was in ihm vorging, als er eine Stimme antworten hörte:
    »Herr Olivier! Herr Olivier!«
    Miß Campbell lebte noch.
    Aber wohin hatte sie sich vor den andrängenden Wogen flüchten können?
    Auf der Gallerie hinkriechend, durchsuchte Olivier Sinclair den inneren Theil der Fingalshöhle.
    Da in der linken Wand hatte das Zurückweichen des Basaltes einen Schlupfwinkel gleich einer Nische gebildet. Die Felsenpfeiler traten hier mehr auseinander. Am Anfang noch ziemlich weit offen, verengerte sich die Vertiefung so weit, daß

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