Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist
Sie wohl wissen, aber ungefährlich. Niemand stirbt an einer Panikattacke. «
»Ich hatte das Gefühl zu sterben. Ich war mir sicher, jetzt ist es aus mit mir …«
»Genau. Das ist im Allgemeinen das Gefühl. Doch es ist wichtig, das, was furchteinflößend ist, von dem zu trennen, was gefährlich ist. Nicht alles, was furchteinflößend ist, ist auch gefährlich und umgekehrt. Eine Panikattacke ist furchteinflößend, aber sie ist nicht gefährlich. Es ist, als schaute man sich einen Gruselfilm an, in dem plötzlich in der Nähe eines schwimmenden Mädchens ein riesiger Hai aus der Tiefe auftaucht.
Jeder bekommt es mit der Angst, aber niemand rennt aus dem Kino. Warum nicht?«
»Weil es ein Film ist.«
»Na und? Fürchten sie sich denn nicht?«
»Doch, aber ihnen wird nichts passieren. Auch dem Mädchen nicht. Es ist kein echter Hai.«
»Richtig. Die Menschen können einen Thriller genießen, weil sie den Unterschied kennen zwischen dem, was furchteinflößend, und dem, was gefährlich ist. Eine Panikattacke gleicht einem Filmhai: Sie können Angst bekommen, müssen aber nicht weglaufen. Es ist wichtig, das im Gedächtnis zu behalten. Jetzt lassen Sie uns zu dem zurückkehren, was in dem Geschäft passiert ist. Sie sagten, Sie hätten die Kontrolle verloren.«
»Ja. Ich hatte keine Ahnung, was los war.«
»Richtig. Das war Ihr Gefühl. Aber unsere Sinne können uns täuschen. Sagen wir einmal, Sie sind in einer klaren Sommernacht in einer Großstadt und blicken zum Himmel hinauf. Können Sie Sterne sehen?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Und wenn Sie außerhalb der Stadt über eine dunkle Landstraße fahren und nach oben blicken, können Sie dann Sterne sehen?«
»Ja.«
»Was also ist passiert? Gibt es über der Stadt keine Sterne?«
Sie lächelt.
»Unsere Sinne versorgen uns nicht immer mit genauen Informationen«, sagt er. »Betrachten wir Ihr derzeitiges Verhalten. Als die Panik einsetzte, ließen Sie den Einkaufswagen stehen; Sie gingen hinaus auf den Parkplatz und zu Ihrem Auto und setzten sich hinein, bis Sie sich beruhigt hatten, richtig?«
»Ja.«
»Nun, das entspricht nicht der Handlungsweise einer Person, die die Kontrolle verloren hat. Man braucht eine sehr starke Kontrolle, um seinen Einkaufswagen stehen zu lassen, statt ihn umzuwerfen oder damit durch den Laden zu laufen. Man braucht eine sehr starke Kontrolle, um den Ausgang zu finden, statt durch ein Fenster zu springen oder ziellos im Laden herumzurennen. Man braucht eine sehr starke Kontrolle, um sein geparktes Auto zu finden, statt stundenlang über den Parkplatz zu irren oder auf eine befahrene Straße. Man braucht Kontrolle, um die Wagentür zu öffnen, sich hineinzusetzen und abzuwarten. Welchen Schluss ziehen wir also daraus?«
»Dass ich in Wirklichkeit die Kontrolle hatte.«
»Ja. Trotz Ihres Gefühls weist Ihr Verhalten darauf hin, dass Sie die Kontrolle hatten und wussten, was Sie zu tun hatten, um auf sich aufzupassen. Auch das ist ein Charakteristikum der Angst. Unsere Sinne verwirren uns. Menschen in Angst haben das Gefühl, keine Kontrolle zu haben, doch das ist nicht der Fall. Es ist wichtig, das zu verstehen.«
»Sie sagen das so einfach. Hier in Ihrer Praxis kann ich es verstehen. Aber wenn Sie an meiner Stelle wären, im Laden oder im Club, und diese Gefühle plötzlich auf Sie einstürzten und Ihr Herz wie ein Presslufthammer zu schlagen anfinge und Ihr Kopf explodierte, würden wir sehen, wie gut Sie sich an all dies erinnerten.«
»Richtig. Genau. Deshalb werden Sie üben müssen.«
»Was üben?«
»Den korrekten Weg, um mit Ihrer Angst umzugehen.«
»Und wie soll ich das üben?«
»Deshalb sind Sie hier.« Er steht auf und zieht den schwarzen Ledersessel von seinem Platz hinter dem Schreibtisch mitten ins Zimmer, genau vor sie hin.
»Setzen Sie sich bitte darauf«, weist er sie an.
Sie setzt sich.
»Ich stoppe jetzt zwei Minuten, in denen Sie sich mit dem Sessel drehen. Nach zwei Minuten hören wir auf, und Sie sagen mir, wie Sie sich fühlen. Fertig? Los.« Sie dreht sich mit dem Sessel, stößt sich mit den Füßen ab. Nach zwei Minuten sagt er: »Stopp.« Sie hält schwer atmend inne.
»Auf einer Skala von eins bis zehn«, fragt er, »wie genau ähnelt Ihr Gefühl jetzt jenem, das Sie während der Panikattacke hatten?«
»Hmmm. Acht.«
»Auf derselben Skala, wie groß ist Ihre Angst jetzt?«
»Nun, sechs vielleicht, denn jetzt bin ich mit Ihnen in Ihrer Praxis und weiß, warum mir schwindlig
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