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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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Rainerios anvertrauen wollen, da er fürchtete, der Abt könnte den Brief lesen, bevor er ihn verschickte. Daher hatte er beschlossen, ihn insgeheim von der nahe gelegenen Abtei Pomposa abzusenden, wo niemand ihn kannte.
    Während der Franzose seinen Gedanken nachhing, betrachtete der Fährmann beim Staken die Scheide des Krummsäbels, der unter dessen Umhang hervorschaute. Er sah aus wie die Waffe eines Sarazenen. Der Schiffer bemühte sich zwar, nur verstohlen hinzusehen, doch sein neugieriger Gesichtsausdruck blieb Willalme nicht verborgen. Er drehte sich ruckartig um, durchbohrte den Fährmann mit einem eiskalten Blick und zog mit einer knappen Geste den Umhang wieder über den Säbel. Der Schiffer wandte hastig den Blick ab. Niemand, nicht einmal ein tollwütiger Hund, hatte ihn je so angesehen.
    Es war beinahe Mittag, als Willalme sein Ziel erreicht hatte. Sobald das Boot das Ufer berührte, ging er an Land und verabschiedete sich von dem Schiffer.
    Auf dem Weg zur Abtei erinnerte er sich daran, was Ignazio über Pomposa erzählt hatte: Es sei eines der namhaftesten Benediktinerklöster des italienischen Stiefels, bekannt als monasterium in Italia primum . Allerdings beeindruckte Willalme das wenig.
    In der Abtei näherte er sich einem Mönch und grüßte ihn freundlich. »Verzeiht mir, Vater, ich müsste dringend einen Brief nach Venedig schicken. Es ist wirklich eilig«, erläuterte er und benutzte dabei die Worte, die ihm Ignazio ans Herz gelegt hatte. »An wen kann ich mich wenden?«
    »Frag den Bruder Pförtner, mein Sohn«, erwiderte der Benediktiner. »Wenn du dich allerdings beeilst, könntest du den Brief auch diesen Seeleuten dort drüben anvertrauen. Siehst du sie? Sie sind auf dem Weg nach Pavia, werden vorher aber noch in Venedig anlegen.«
    Nachdem Willalme ihm gedankt hatte, eilte er zu den Männern, die ihm der Mönch gezeigt hatte. Sie luden Salzsäcke auf ein Schiff, das am Ufer des Kanals festgemacht hatte.

6
    Ignazio verharrte schweigend auf seinem Stuhl. Verstohlen betrachtete er Rainerio und wartete auf ein Zeichen, sich zurückziehen zu dürfen. Da öffnete sich die einzige Tür des Raumes, und ein kleiner, untersetzter Mönch kam herein, dessen Kopf mit den geröteten Wangen von einem schwarzen Haarkranz gekrönt wurde. Er musste über sechzig Jahre alt sein, doch seine weichen Züge erinnerten mehr an einen Putto .
    Der Neuankömmling grüßte den Händler mit einer Verbeugung, dann wandte er sich ein wenig ungeduldig und in toskanisch gefärbtem Latein an den Abt: »Pater, Ihr werdet im Refektorium erwartet. Gleich wird das Mittagsmahl aufgetragen.«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass es schon so spät ist.« Rainerio deutete auf Ignazio. »Dies hier ist Ignazio da Toledo, ein Freund, der von weit her gekommen ist. Ihr werdet ihn sicher gestern Abend im Refektorium bemerkt haben, als er neben mir saß.«
    »Ich habe von Euch gehört, Meister Ignazio. Abt Maynulfo da Silvacandida hielt große Stücke auf Euch.« Der Mönch wunderte sich über Rainerios finstere Miene, die die dunklen Ringe unter seinen Augen noch stärker hervortreten ließ. Der Abt schien über irgendetwas verärgert zu sein, doch der Mönch empfand deswegen kein Mitleid mit ihm. »Ich bin Gualimberto da Prataglia, Kopist und Bibliothekar. Verzeiht mir, dass ich hier so eindringe. Habe ich bei etwas Wichtigem gestört?«
    Ignazio schüttelte den Kopf. »Keineswegs, wir waren gerade fertig.«
    Mit einem unwilligen Seufzer stieß sich Rainerio von den Armlehnen seines Sessels ab und erhob sich. Im Gehen wandte er sich noch einmal an den Mönch: »Begleitet Ihr uns zum Mittagsmahl, Pater Gualimberto?«
    »Leider nicht … Mich plagt immer noch dieses unerträgliche Magenbrennen. Ich bitte um die Erlaubnis, mich nach Möglichkeit bis zur None im Skriptorium aufhalten zu dürfen.«
    »Es sei Euch gewährt. Und Ihr, Ignazio, werdet Ihr mir im Refektorium Gesellschaft leisten?«
    Ehe der Händler antwortete, verständigte er sich mit Gualimberto durch Blicke. »Ich habe ebenfalls keinen Appetit, ehrwürdiger Abt. Ich werde wohl die Gelegenheit nutzen und Pater Gualimberto bitten, mir die Bibliothek zu zeigen, wenn es ihm recht ist.«
    »Es wäre mir eine Ehre«, sagte der Mönch schnell. »Natürlich nur, wenn der Abt damit einverstanden ist.«
    » Placet «, stieß Rainerio brüsk hervor, bevor er den Raum verließ.
    Sobald sie allein waren, begaben sich Ignazio und Gualimberto in das obere Stockwerk des Castrum abbatis , wo

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