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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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oben geklettert war. Ginesio, der hinter dem Haupteingang wachte, hatte ihn nicht bemerkt. Der Mann war nicht mehr zu sehen. Er musste durch ein Fenster im zweiten Stock ins Gästehaus geschlüpft sein.
    »Das war doch Ignazio, der Händler aus Toledo«, dachte Uberto laut.
    »Hast du den Pilger Ignazio geseh…?«, fragte der Alte, ein heftiger Hustenanfall erstickte den Satz.
    »Ich glaube schon.«
    Pater Tommaso räusperte sich. »Dieser Ignazio ist auf jeden Fall ein geheimnisvoller Mann. Ich habe ihn kennengelernt, als er zum ersten Mal hierherkam. Damals wirkte er geradezu verzweifelt.«
    Neugierig geworden, fragte Uberto mit sanfter Stimme: »Sag mir, Großväterchen, was weißt du über ihn?«
    Der Junge nannte den alten Mönch schon von Kindesbeinen an »Großväterchen«, da dieser es gewesen war, der sich vorwiegend um ihn gekümmert hatte.
    Der Alte verlangsamte seinen Schritt und sog die laue Mittagsluft tief in sich ein. »Damals war er gerade aus Deutschland geflohen. So hat es mir Maynulfo da Silvacandida im Vertrauen gesagt und mich gebeten, mit niemandem darüber zu reden. Du bist der Erste, dem ich davon erzähle. Da waren heikle Angelegenheiten im Spiel, von denen ich kaum etwas weiß.«
    Uberto nickte dankbar über das Vertrauen, das ihm der Mönch schenkte.
    Tommaso erzählte dann über jene Jahre im Leben Ignazios, von denen nur wenige wussten. »Alles hatte im Jahre 1202 begonnen, als der Händler aus Toledo einen gewissen Viviën de Narbonne kennengelernt hatte, einen Wandermönch von zweifelhaftem Ruf. Die beiden hatten es gewagt, mit einem hohen Herrn der Kirche, vielleicht sogar mit dem Erzbischof von Köln persönlich, Geschäfte zu machen. Sie zeigten ihm einige wertvolle Reliquien, die sie wer weiß wo in der Welt aufgetrieben hatten.«
    Uberto fragte, um welche Reliquien es sich dabei gehandelt hatte, doch der Alte wusste keine Antwort darauf.
    Tommaso packte den Arm seines jungen Begleiters etwas fester und fuhr dann mit seiner Erzählung fort: »Aus mir unbekannten Gründen wurde nichts aus dem Handel. Zudem war dieser Kirchenmann Mitglied eines Geheimtribunals, das seinen Sitz in Deutschland hat und dessen Anhänger in der ganzen Welt verstreut sind.«
    »Ein Geheimtribunal? Was ist das?«
    »Ich habe keine Ahnung, und ich glaube, es ist auch besser, nichts darüber zu wissen.« Der Alte wurde erneut von einem Hustenanfall geschüttelt, dann sprach er mit heiserer Stimme weiter: »Ignazio blieb nichts anderes übrig, als zu fliehen, aber er wurde verfolgt. Er flüchtete durch Frankreich, überquerte die Alpen, gelangte nach Venedig, und danach fand er Zuflucht in unserem Kloster. Abt Maynulfo nahm ihn auf, und der Händler versteckte sich hier eine Weile, bevor er in Richtung Orient aufbrach.«
    »Und was ist aus Viviën de Narbonne geworden?«
    »Die beiden trennten sich auf der Flucht. Maynulfo hat mir nicht verraten, was mit Viviën geschehen ist, vielleicht wusste nicht einmal er es, ja, ich glaube, selbst Ignazio hatte keine Ahnung.«
    Uberto wollte gerade den Mund öffnen, um die nächste Frage zu stellen, doch Tommaso kam ihm zuvor. »Es ist schon spät. Schnell, mein Söhnchen, schauen wir, dass wir ins Refektorium kommen, sonst gibt es für uns kein Mittagessen mehr.«

9
    Gualimberto da Prataglia wartete vor dem Eingang der Bibliothek. Mit nachdenklicher Miene und vor dem Bauch verschränkten Händen ging er im Kreis umher, als Ignazio wiederkehrte.
    »Hier, bitte sehr, Pater.« Der Händler hielt ihm das Ledersäckchen mit den Wurzeln hin.
    »Und Ihr meint, die helfen wirklich?«, fragte Gualimberto.
    »Kräuter und Wurzeln haben heilende Eigenschaften, das müsste Euch doch bestens bekannt sein.« Ignazio hob eine Augenbraue. »Doch jetzt verratet mir, wenn die Frage nicht zu indiskret ist, warum schätzt Ihr Abt Rainerio nicht?«
    Die Frage traf den Mann so überraschend, dass er tief errötete. »Aber nein! Wie könnt Ihr nur …«
    »Bitte lügt mich nicht an.« Der Händler schlug einen vertraulichen Ton an. »Ich habe die Verachtung bemerkt, die Ihr ihm gegenüber an den Tag legt.« Ignazio war überzeugt, dass er eine ehrliche Antwort erhalten würde. Er wusste, dass ihm dieser Mann inzwischen Vertrauen entgegenbrachte.
    »Denkt bitte nicht schlecht über mich. Es ist nur so, dass ich mich wie viele meiner Mitbrüder nicht an seine überhebliche Art gewöhnen kann.« Er biss sich auf die Lippen, doch dann brach es aus ihm heraus: »Außerdem ist Rainerio nicht

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