Der Healing Code
Sie durchlebt
dieselben Gedanken, Gefühle und sehr wahrscheinlich auch Verhaltensweisen. Im
Fall des Vergewaltigungsopfers spürt sie wieder wie damals Zorn, Schrecken und
Angst. Sie wird auch denken: «Das ist ekelhaft, schrecklich, ich bin in
Gefahr...» Und sie wird sich ähnlich verhalten: «Ich will weg von hier... Ich
werde kämpfen, um von hier wegzukommen.» Die betroffene Person wird all diese
Reaktionen der gegenwärtigen Situation zuschreiben wollen, selbst wenn das nach
logischen Maßstäben gar keinen Sinn ergibt. Sie wird eine Entschuldigung
finden, eine Möglichkeit, das, was gerade geschieht, so zu verdrehen, dass sie
damit ihre Reaktion begründen kann. Selbst wenn das ganze Umfeld der
betroffenen Person, wenn sogar sie selbst weiß, dass ihre Reaktion unsinnig
ist, wird sie es trotzdem tun. Sie wird es tun, weil sie nicht weiß, woher es
kommt. Sie weiß nicht, dass diese mächtigen Gefühle und Impulse von früheren
Erinnerungen herrühren. Oder wenn sie es weiß, dann nicht, von welchen. Der
Traumatisierte braucht einen Grund, oder er wird verrückt — oder fühlt sich
zumindest so.
Mit anderen Worten: Ihr
Antivirenprogramm funktioniert reibungslos, wenn es Sie davon abhält, in ein
heftiges Gewitter hinauszugehen. Doch eine Umprogrammierung wird dann nötig, wenn es Sie an einem sonnigen Tag ins Haus stürzen lässt,
sobald sich nur ein paar Schäfchenwolken am Himmel zeigen.
Dies ist genau der Grund, warum
so viele Menschen viel Geld und Jahrzehnte ihres Lebens aufwenden, um ihre
alten Programme umzuschreiben und das Leben zu führen, das sie sich wünschen.
Doch dazu wird es fast nie kommen, wenn ihnen nur Willenskraft zur Verfügung
steht, um die Symptome zu verändern. Man muss an die Wurzel gehen: die Probleme
des Herzens.
6 GEHEIMNIS NR. 6:
Ich glaube!
I m vorigen
Kapitel sprachen wir darüber, dass das Reiz-Reaktions-System ein Glaubenssystem
begründet, das sich früh im Leben ausbildet. Während sich unser Gehirn
entwickelt, formt sich (mit der Fähigkeit zu Sprache und logischem Denken) ein
zweites Glaubenssystem aus, das auf dem Reiz-Reaktions-Glaubenssystem fußt.
Als ich etwa zehn Jahre alt
war, wurden wir eines Tages in meiner Schule zu einer ganz besonderen
Veranstaltung zusammengerufen. Anders als die üblichen Schulversammlungen
stellte sie sich als unglaublich faszinierend, inspirierend und großartig
heraus. Ein Karatemeister berichtete von seinem Leben, während er alle
möglichen Kunststückchen vollführte: Er zerschmetterte Holzbretter,
Ziegelsteine, Steine und Eisblöcke und setzte sich gegen mehrere Angreifer gleichzeitig
zur Wehr.
Und er erzählte uns eine wahre
Geschichte, die ich nie wieder vergessen habe: In China lebte einmal ein Junge,
der etwa im selben Alter war wie ich damals. Er begann, Kurse zu besuchen, um eine
spezielle Form der Kampfkünste zu erlernen. Seine Schule lud regelmäßig die
Familien und Freunde der Schüler ein, um deren Fortschritte zu zeigen. Schon
lange im Voraus übten die Schüler für die Vorführung. Der Meister sagte zu dem
Jungen, dass er bei der nächsten Vorführung eine gewisse Anzahl von
Ziegelsteinen zerschlagen sollte. Diese Aufgabe war insofern ein wenig
ungewöhnlich, da der Junge so etwas noch nie getan hatte und es auch nicht
vorab üben durfte. Ja, er sollte wie alle anderen üben, aber nur die Technik,
nicht das Zerschlagen selbst. Als der Junge dem Meister seine Bedenken
mitteilte, lächelte dieser nur und sagte: «Du wirst keinerlei Probleme haben.
Du kannst alles, was du können musst um die Ziegelsteine zu zertrümmern.»
Der Tag der Vorführung kam, und
alle Schüler schlugen sich zur Freude und Bewunderung des Publikums
hervorragend. Endlich, als Schlussnummer, trat der Junge vor sie alle hin,
verbeugte sich vor der Menge, verbeugte sich vor seinem Meister und schlug dann
auf die Ziegelsteine ein, wie er es geübt hatte. Zu jedermanns Erstaunen
brachen die Ziegelsteine ganz leicht unter der Hand des Jungen. Der Meister
trat vor, bedeutete dem Publikum zu schweigen, und erklärte dann, dass das, was
der Junge soeben vollbracht habe, noch nie zuvor in der Geschichte vollbracht
worden sei. Nicht von ihm selbst und auch nicht von irgendeinem der anderen
großen Meister. Der Meister fuhr fort, dass der Junge nicht nur dank seiner
Begabung in der Lage gewesen sei, diese scheinbar unmögliche Meisterleistung zu
vollbringen, sondern auch, weil er ohne jeden Zweifel in seinem Herzen einfach
daran geglaubt habe.
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