Der Heckenritter von Westeros
des Westens und Südens einen Ritter oder drei nach Aschfurt entsandt, um die Schöne Maid zu sehen und ihr zu Ehren den Sieg zu erringen.
Doch so hübsch ihre Zelte auch anzuschauen waren, er wusste, dass da kein Platz für ihn war. Ein fadenscheiniger Wollmantel würde der einzige Schutz sein, den er heute Nacht hatte. Während die Lords und hohen Ritter Kapaune und Spanferkel speisten, würde Dunks Abendessen aus einem harten, sehnigen Stück Dörrfleisch bestehen. Er wusste nur zu gut, wenn er sein Lager auf diesem prächtigen Feld aufschlug, würde er stumme Verachtung und unverblümten Spott über sich ergehen lassen müssen. Ein paar würden ihn vielleicht freundlich behandeln, aber auf eine Art und Weise, die fast noch schlimmer war.
Ein Heckenritter musste auf seinen Stolz achten. Ohne ihn war er nichts weiter als ein Söldner. Ich muss mir meinen Platz in dieser Gesellschaft verdienen. Wenn ich gut kämpfe, nimmt mich vielleicht ein Lord in seinen Haushalt auf. Dann werde ich in edler Gesellschaft reiten und jeden Abend frisches Fleisch in der Halle einer Burg essen und bei Turnieren mein eigenes Zelt aufstellen. Aber vorher muss ich mich gut schlagen. Widerwillig drehte er dem Turniergelände den Rücken zu und führte seine Pferde unter die Bäume.
An den Rändern der großen Wiese, eine gute halbe Meile von Stadt und Burg entfernt, fand er eine Stelle, wo die Biegung eines Baches einen tiefen Teich bildete. Dichtes Schilfrohr wuchs an den Ufern, und über allem ragte eine hohe, dicht belaubte Ulme auf. Das Frühlingsgras hier war so grün wie das Banner eines Ritters und fühlte sich weich an. Es war ein hübsches Fleckchen, und noch niemand hatte es für sich beansprucht. Dies wird mein Zelt sein, sagte Dunk zu sich, ein Zelt mit einem Dach aus Blättern, grüner noch als die Banner der Tyrells und Estermonts.
Zuerst kamen die Pferde dran. Als sie versorgt waren, zog er sich aus und watete in den Teich, um den Staub der Reise abzuwaschen. »Ein wahrer Ritter ist ebenso reinlich wie gottesfürchtig«, hatte der alte Mann immer gesagt und darauf bestanden, dass sie sich zu jedem Mondwechsel von Kopf bis Fuß wuschen, ob sie nun übel rochen oder nicht. Jetzt, da er selbst ein Ritter war, schwor Dunk, dass er es ebenso halten würde.
Er saß nackt unter der Ulme, während er allmählich trocken wurde, genoss die warme Frühlingsluft auf der Haut und sah einer Drachenfliege zu, die träge zwischen dem Schilfgras dahinflog. Warum nennt man Libellen auch Drachenfliegen?, fragte er sich. Sie haben keine Ähnlichkeit mit einem Drachen. Nicht dass Dunk je einen Drachen gesehen hätte. Der alte Mann allerdings schon. Dunk hatte die Geschichte fünfzigmal gehört. Als Ser Arlan ein kleiner Junge gewesen war, hatte sein Großvater ihn mit nach Königsmund genommen, wo sie den letzten Drachen gesehen hatten, ein Jahr bevor er starb. Ein grünes Weibchen war es gewesen, klein und verkrüppelt, mit verdorrten Schwingen. Aus keinem ihrer Eier war je ein Junges geschlüpft. »Manche sagen, dass König Aegon sie vergiftet hat«, pflegte der alte Mann zu erzählen. »Das war der dritte Aegon, nicht König Daerons Vater, sondern der, den sie Drachentod nannten, oder Aegon den Unglücklichen. Er hatte Angst vor Drachen, denn er hatte gesehen, wie die Bestie seines Onkels seine eigene Mutter verschlang. Die Sommer sind kürzer geworden, seit der letzte Drache gestorben ist, und die Winter länger und bitterer.«
Als die Sonne hinter den Baumspitzen verschwand, wurde es kühler. Sowie Dunk Gänsehaut auf den Armen spürte, klopfte er seinen Waffenrock und die Hose am Stamm der Ulme aus, um den gröbsten Schmutz abzuschütteln, und zog sie wieder an. Morgen konnte er den Turniermeister aufsuchen und seinen Namen eintragen lassen, aber heute Abend musste er sich um andere Dinge kümmern, wenn er jemanden herausfordern wollte.
Er musste sein Spiegelbild im Wasser nicht betrachten, um zu wissen, dass er nicht sonderlich nach einem Ritter aussah, daher schlang er sich Ser Arlans Schild über den Rücken, um das Wappen zu zeigen. Er legte den Pferden lockere Fußfesseln an und ließ sie an dem saftigen grünen Gras unter der Ulme knabbern, während er sich zu Fuß auf den Weg zum Turniergelände machte.
In normalen Zeiten diente die Aue auf der anderen Seite des Flusses den Leuten aus Aschfurt als Weideland, aber heute war sie wie verwandelt. Über Nacht war eine zweite Stadt entstanden, eine Stadt aus Seide statt aus
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