Der Heiler
kommendes Husten, dann lautes Poltern auf den Holzdielen und gereiztes Gemurmel.
»Ahti ist aufgewacht«, sagte Elina, und es klang, wie ich fand, geradezu erfreut. »Tapani, wir machen es so: Ich denke darüber nach und rufe dich später zurück.«
Das Gespräch brach ab.
Ich saà da und starrte auf das Foto, auf dem das gelbe Lilliputhaus in der weichen Frühlingssonne badete. Da bemerkte ich auf dem giftgrünen Rasen vor dem Nachbarhaus, mit dem Rücken zur Kamera, einen breitschultrigen Mann mit Pferdeschwanz, der einen Spaten oder irgendein anderes Gerät in seinen groÃen Pranken schwang.
2 »Du hättest mich einfach anrufen können.« Harri Jaatinen setzte sich hinter seinen Schreibtisch und sah mich unangenehm väterlich an.
»Das hätte ich ja gemacht«, sagte ich und rückte mich auf meinem Stuhl zurecht. »Aber ich will dir Fotos zeigen und die Zusammenhänge erklären.«
Ich begriff, dass ich mich anhörte wie ein irrer Verschwörungstheoretiker, und hob abwehrend die Hand, obwohl Jaatinen gar nichts gesagt hatte.
»Das klingt sicherlich eigenartig. Aber ich habe deinen Rat befolgt und bei Pasi Tarkiainen begonnen.«
Ich machte ein, zwei Sekunden Pause.
»Und habe meine Frau gefunden. In einer Zeit, die dreizehn Jahre zurückliegt.«
Ich erklärte ihm, was passiert war, zeigte ihm die Fotos und legte ihm einige Papiere vor. Er warf mir einen Blick zu, ehe er zu lesen begann, und in diesem Blick lag mehr als nur eine Spur Müdigkeit.
Im Zimmer rauschte sowohl Jaatinens Laptop als auch die Ãffnung des Belüftungskanals, die sich in der Mitte der Zimmerdecke befand. Der Laptop lief auf höchster Frequenz. Jaatinen las etwa fünf Minuten, blickte von den Papieren auf, sah mich an, vielleicht nicht mehr ganz so müde, betrachtete nochmals die Fotos und tippte dann auf der Tastatur herum. AnschlieÃend lehnte er sich in seinem Stuhl zurück.
»Gute Arbeit«, sagte er.
Ich sah ihn erstaunt an. »Mehr nicht?«, fragte ich. »Gute Arbeit?«
»Gute Arbeit«, sagte er, so als hätte ich ihn nicht verstanden. »Das ist eine Menge.«
»Sollten wir nicht handeln, etwas unternehmen?«
Jaatinen machte ein Zeichen mit der linken Hand: bitte!
»Okay«, sagte ich. »Was ist deine Meinung dazu?«
»Wozu?«
»Zu dem, was ich herausgefunden habe.«
Seine Stimme blieb weiter trocken und farblos: »Was hast du denn herausgefunden?«
Ich hob ehrlich erstaunt die Augenbrauen. Hatte ich ihm das nicht gerade erklärt? »Dass Pasi Tarkiainen und meine Frau früher mal zusammengelebt haben. Dass der Barmann wahrscheinlich schon vor langer Zeit ihr Nachbar war. Dass Gromow, mit dem Johanna unterwegs war, jetzt tot ist. Dass all das irgendwie zusammenhängt.«
»Richtig«, bestätigte Jaatinen.
»Du bist derselben Meinung«, sagte ich und beugte mich vor.
Er schüttelte den Kopf. »Nur darin, dass alles irgendwie zusammenhängt.«
Ich seufzte. »Kannst du dich wegen Gromow erkundigen?«
Er blickte auf seinen Laptop. »Er wurde zumindest noch nicht registriert.«
»Bist du dir sicher?«
Jaatinen blickte erneut auf seinen Laptop, tippte ein paar Mal auf die Tasten und sah zu mir auf. Dann sagte er, langsam und geduldig: »Der hier sagt mir, dass eine Person dieses Namens nicht als Eingang verzeichnet wurde.«
»Wie ist das möglich?«, fragte ich. »Immerhin war sein Arbeitgeber bereits informiert.«
Jaaatinen blickte wieder auf sein Gerät nieder. »In diesen Tagen ist alles möglich. Es kann einfach nur daran liegen, dass die Leute dort viel zu tun haben und der Fall erst in einer Woche oder einem Monat registriert wird. Doch auch das garantiert noch gar nichts. Selbst wenn der Mann gestern dort eingetroffen und sofort registriert worden ist, kann es sein, dass die Ergebnisse der Obduktion erst im Sommer vorliegen. Auch so was kommt vor.«
Ich sah ihn an. »Das wird Johanna nicht helfen«, sagte ich, ohne sarkastisch klingen zu wollen. Allem Anschein nach misslang es mir.
Jaatinen lehnte sich in seinem Stuhl so weit zurück, wie es möglich war, ohne dass er oder der Stuhl an irgendeiner Stelle auseinanderrissen.
»Ich weià nicht, ob es ihr helfen würde, wenn Gromow registriert worden und die Obduktion gerade im Gange wäre«, sagte er. »Oder ob es hilft, dass wir uns über die Sache
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