Der Heiler
unterhalten. Wie ich bereits sagte, Johanna hat mir damals bei einem Fall einen groÃen Dienst erwiesen, und deshalb habe ich Zeit geopfert für dich und diese, diese â¦Â«, er suchte nach einem Wort, fand aber kein passendes, so dass er es regelrecht herausquetschen musste: »Untersuchung.«
Ich beschloss, bis zehn zu zählen, und schaffte es bis sechs. »Ich will nicht meckern«, sagte ich. »Ich verstehe, dass du zu wenig Personal, zu viel Arbeit und einen Haufen anderer Probleme hast. Aber wenn Johanna dir geholfen hat, dann kannst du jetzt ihr helfen.«
Jaatinen schien abzuwägen. Jedenfalls starrte er vor sich hin und wirkte, abhängig vom Blickwinkel, nachdenklich oder zu Tode erschöpft. »Mir fällt nichts ein, was wir tun könnten«, sagte er schlieÃlich. »Ohne Ermittler.«
Ich sah ihn wortlos an.
Er merkte es und schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?«, fragte ich.
Er überlegte kurz.
»Darum nicht.«
»Warum nicht?«, hakte ich nach.
»Unsere Situation ist schlimm, sogar verzweifelt. Aber wir haben sie zumindest noch halbwegs unter Kontrolle. Wenn wir anfangen, Hobbypolizisten einzusetzen, bedeutet es, dass wir aufgeben.«
»Ich will doch gar nicht den Hobbypolizisten spielen, jedenfalls nicht offiziell«, sagte ich.
Jaatinen sah mich an, antwortete dann, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken: »Okay, schlag etwas vor.«
Ich überflog die Ortungssignale von Johannas Handy, die inzwischen gekommen waren. Jaatinen hatte sie beim Netzbetreiber bestellt. Ich hatte recht gehabt im Hinblick auf Jätkäsaari, allerdings war das nicht der letzte Ort, an dem ihr Handy aktiv gewesen war.
Eindreiviertel Stunden, nachdem ich mit ihr gesprochen hatte, hatte sie sich im Stadtzentrum im Bereich des Sendemastes Kamppi befunden, ziemlich genau an der Ecke Urho Kekkosen katu und Fredrikinkatu, und zwar um 22.53Â Uhr.
Mit Jaatinens Erlaubnis durfte ich mir das Video der Ãberwachungskamera ansehen. Die Kamera befand sich an der Ecke des ehemaligen Kaufhauses in etwa zehn Metern Höhe und filmte im Weitwinkel die gesamte Kreuzung, so dass die Menschen wie dunkle Gestalten aussahen und bei der VergröÃerung zu einer Pixelmasse verschwammen.
Ich klickte mich in die Uhrzeit 22.50 ein. Leute kamen und gingen zu Hunderten. Ich war mir sicher, dass ich Johanna trotzdem in der Menge erkennen würde. Die Minuten vergingen, es wurde 22.52, dann 22.53 und 22.54, aber Johanna war nicht zu sehen. Ich spulte wieder zurück auf 22.50 und sah mir die dreiminütige Sequenz erneut an. Und noch ein weiteres Mal. Ich war verwirrt und enttäuscht und hundertprozentig sicher, dass keiner der Passanten Johanna gewesen war.
Ich stand auf, holte mir Kaffee und setzte mich wieder vor den Monitor. Jaatinen hatte mich in die zweite Etage mitgenommen, mir einen Computer zugewiesen und mir den Zugangscode fürs Abrufen von Informationen auf ein Blatt Papier geschrieben. Mit diesem Code kam ich an die Handydaten, Ãberwachungsvideos und in verschiedene Personendateien. Auf der Taskleiste sah ich, dass der PC mit Jaatinens Laptop verbunden war und dass er sehen konnte, was ich tat. Er hatte mir angekündigt, meine Verbindung zu kappen, sollte ich vom Kurs abweichen.
Ich saà in einem GroÃraumbüro inmitten von anderen Leuten, die auf ihren Tastaturen herumtippten. Keiner von ihnen hatte aufgeblickt, geschweige denn etwas gesagt während der Stunde, die ich mich dort bereits aufhielt. Vielleicht trieb uns alle dasselbe an: Wir suchten und hofften. Und wir fürchteten, dass jede klitzekleine Unaufmerksamkeit dazu führen könnte, dass der entscheidende Informationsschnipsel für immer verschwand.
Ich sah mir die Sequenz abermals an, verfolgte die Schritte eines jeden Passanten. Keiner von ihnen trippelte so wie Johanna. Sie hatte sich stets amüsiert, dass ich so langsam trottete. Obwohl ihre Beine kürzer waren als meine, erreichte sie das doppelte Tempo. Ich hätte sie auf dem Video entdeckt, wenn sie dort gewesen wäre. Ich spulte wieder zum Anfang, lehnte mich zurück und betrachtete das Bild.
Der Regen spielte seine Spielchen mit dem Bild, er benetzte die StraÃen und Bürgersteige, lieà sie glänzen und beeinträchtigte die Sicht. 22.53 Uhr wurde die Kreuzung durch die vielen Autoscheinwerfer, die gelblichen StraÃenlampen und die Werbetafeln an den HäuserfasÂsaden zu einem
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