Der heilige Erwin
aufgeregt. Auch Rita wirkt etwas nervös, während sie ihn herumführt. »Das ist die Küche, das Bad ist gleich gegenüber. Und das da ist noch das Wohnzimmer, da schläfst du.« Sie zeigt auf ein Sofa. Gott nickt. Es sieht alles sehr gemütlich aus. »Und was ist da drin?«, fragt Er neugierig und deutet auf eine weitere Tür, die sie in ihrer Aufzählung anscheinend vergessen hat. »Schlafzimmer«, sagt Rita und wird rot.
Dann hantiert sie sehr geschäftig herum, bringt Decken ins Wohnzimmer und verwandelt das Sofa mit einigen Handgriffen in ein Bett. Bei diesem Anblick wird Gott sehr müde. Er wartet darauf, dass Rita ihn jetzt allein lässt. Aber die zögert noch. »Hm, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Ich will dich nicht kränken, aber – könntest du dich bitte waschen, bevor du schlafen gehst?« Gott sieht kritisch an Erwins Körper herunter. Nun ja, sie hat wohl Recht, denkt Er. »Ich lasse dir gleich ein schönes heißes Bad ein!« ruft Rita und macht sich ans Werk .
Das Wasser dampft und duftet köstlich nach Orangen. Gott steht allein im Badezimmer und zieht Erwins Körper aus. Er betrachtet die Zehen, die Knie, das Geschlecht. Erwins Haut ist verschorft. Gott lässt das schnell abheilen. Dann steigt Er vorsichtig ins Wasser. Aaah, heiß! Aber welche Wohltat! So liegt Er einige Zeit in der Wanne, ganz hingebungsvoll diesem unbekannten Körpergefühl nachspürend, bis Er ein zaghaftes Klopfen vernimmt. Die Tür wird geöffnet und Rita steht im Türrahmen, ein gestreiftes Badetuch in den Händen: »Entschuldige bitte, das hatte ich ganz vergessen!« Sie tritt ein, legt das Handtuch auf den mit Frottee bezogenen Toilettendeckel und dreht sich zu Gott um, der aus dem Badeschaum heraus zu ihr hinüberblickt. »Brauchst du sonst noch was? Also … ich könnte dir zum Beispiel beim Haarewaschen helfen.« Gott nickt zögerlich. Langsam tritt Rita auf die Wanne zu, setzt sich auf den Rand und beginnt, Erwins Kopf in wohlriechenden Schaum zu hüllen. Mmmh, angenehm. Ritas Hände massieren Erwins Kopfhaut, bewegen sich dann weiter über seine Schultern, kneten den Rücken, und Erwins Körper reagiert, wie ein Männerkörper das eben so tut. Gott beschließt, dass Widerstand zwecklos wäre.
Später in der Nacht liegen die beiden in Ritas Bett. Rita betrachtet das Gesicht des schlafenden Mannes neben sich und streicht ihm zärtlich durch das Haar. Was für ein göttlicher Liebhaber, denkt sie. Mit einem Lächeln auf den Lippen schläft sie ein.
21
B erge von Zetteln türmen sich auf dem Schreibtisch, kein einziger freier Fleck ist mehr auszumachen.
Auf den Blättern stehen Namen und Jahreszahlen. Hin und wieder fegt ein Windstoß durch die Stapel. Dann hat Jesus Mühe, alles einzusammeln, ehe die losen Papiere in der unendlichen Weite des Himmels verschwinden. Es herrscht ein heilloses Durcheinander.
Die Neuankömmlinge geben sich sprichwörtlich die Klinke in die Hand. Jesus kann nicht mehr tun, als sie zu begrüßen, ihre Daten aufzunehmen und irgendwo zu notieren. Das Abheften hat er längst schon aufgegeben – er kommt einfach nicht dazu.
Ein Murren geht durch die Reihen der wartenden Seelen. Jesus fühlt sich unwohl. Er gibt sich ja Mühe, es ihnen allen recht zu machen. Aber er spürt auch eine Wut in sich aufsteigen, die eigentlich untypisch ist für seinen Charakter. Wieso, verdammt noch mal, muss ich mich eigentlich mit diesem stupiden Mist herumschlagen?, denkt er verbittert zwischen zwei Begrüßungen. Und während er scheinbar geduldig die Daten aufnimmt, betet er insgeheim darum, dass sein Vater möglichst bald zurückkehrt und seinen Platz wieder einnimmt.
Ein Krosspisianer, ein Taraki, ein Mensch. Planet Tkos, Planet Erde, Planet 04. Jesus seufzt. Irgendwann werde ich das doch noch alles ordnen müssen, sonst kriege ich einen Riesenanschiss, wenn Gott zurückkommt.
»Sie sind nicht besonders gut organisiert hier, was?« Die Stimme des Mannes, Spezies Mensch/Planet Erde, klingt näselnd und etwas gelangweilt. Jesus wirft ihm einen vernichtenden Blick zu. Der Mann lässt sich nicht beirren: »Haben Sie denn keine Angestellten für so was? Man will sich doch in diesem Saftladen hier nicht den ganzen Tag die Beine in den Bauch stehen!« Das Murren der Wartenden klingt zustimmend, der Mann blickt triumphierend in die Runde. Nun platzt Jesus der Kragen. Da kommt so ein Schnösel, mit nicht mal fünfzig Jahren am Herzinfarkt gestorben, und hetzt mit seiner Ungeduld die Leute auf. Dabei
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