Der Heiratsspezialist
Abmachung mit dem blonden Luder, das klang zwar überzeugend, aber es verstärkte nur die Tatsache, daß sich alle Welt auf seine Kosten völlig unnötig Komplikationen leisten wollte.
»Hör mal zu, Sandra!« hatte er endlich gesagt, nachdem sie ihm zum dritten Mal vorgehalten hatte, wie sinnlos diese Fahrt in die Einsamkeit sei. »Greif mal nach hinten, hol eine Dose Cola und knack sie auf. Danke.« Er nahm einen langen Schluck, spülte den feinen Wüstenstaub aus seinem Gaumen und wartete, bis auch Sandra mit Cola gegurgelt hatte. »Und wenn du hundertmal behauptest, Jenny sei einverstanden, und die ganze Sache mit dem Heiratsversprechen sei nur ein Witz, um mich freizubekommen – würdest du mich lieben, wenn …«
»Ich liebe dich!« unterbrach ihn Sandra laut. »Begreif das doch!«
»Das ändert alles nichts daran, daß man – ich meine die Behörden – uns nicht mehr läßt! Eine Mrs. Brook wird kein unbefristetes Visum erhalten, von einer Einbürgerung ganz zu schweigen! Um die Behörden zu überzeugen, daß du jetzt die letzte und einzige bist, braucht man Jahre. Da braucht nur ein Beamter zu sitzen, der in Abständen nein sagt – schon bist du draußen! Überzeuge du einmal einen Beamten vom Gegenteil – ich dressiere dir in der gleichen Zeit zehn wilde sibirische Tiger zu schnurrenden Kätzchen. – Aber ab heute ist das anders.«
»Indem du in die Wüste fährst?!«
»So ist es! Wir sind ein freies Land, Sandra. Und wir sind Menschen, für die die Öffentlichkeit die einzige Tribüne ist, von der aus man überall verstanden wird. Mach auf dich aufmerksam, laß deinen Namen von Millionen nennen, breite dein Schicksal vor der ganzen Welt aus, sammle Anteilnahme in allen Herzen – und Amerika liegt dir zu Füßen! Du bist ein Held der Stunde, und diese Stunde ist deine wirkliche Geburt! Man wird unsere Namen aussprechen, als seien sie Symbole der Liebe!«
»Aber du weißt auch, was in Amerika Entführung bedeutet, Bob!«
»Bist du freiwillig mitgekommen, Sandra?«
»Ich werde es beschwören.«
Bob gab ihr einen Kuß, trank die Cola-Dose leer und warf sie aus dem Fenster. Das war ein Fehler, wie sich später herausstellen sollte. »Allen wird sich unsterblich blamieren«, sagte er fröhlich, »wenn er wirklich gegen mich ermittelt. Amerika wird sich vor Lachen schütteln. Ein Paar auf der Hochzeitsreise wird von der Polizei gejagt! Sandra, das ist ein kassenfüllender Hollywood-Knüller!«
Für Bob war damit das ganze Problem erledigt, bevor es noch richtig begonnen hatte. Sandra beschwor ihn weiterhin, umzukehren und auf dieses Theater zu verzichten, aber er hörte nicht auf sie. Sie ist eine Deutsche, dachte er. Sie denkt vollkommen deutsch. Kann man ihr das übelnehmen? Sie versteht einfach nicht, daß die Sympathie der Massen die eigene kleine Welt öffnen kann. Morgen werden es alle Zeitungen von Las Vegas bringen, die Rundfunkstationen, die Fernsehstationen, Brass und vielleicht auch McDolland werden Interviews geben. Vor allem der Pfarrer wird auf einen großen Auftritt im TV nicht verzichten und eine grandiose Predigt abziehen. Auch Zeitungen außerhalb Nevadas werden die Story aufgreifen, von Kalifornien bis New York: Kidnapping aus Liebe! Ein Mann kämpft darum, heiraten zu dürfen.
Amerikas Frauenvereine werden Frottierhandtücher für die Tränen verteilen. Auf Transparenten wird man lesen können: Laßt Bob heiraten! Ein neuer Schlager wird auf den Markt kommen: Bobs Heirats-Rock. Sicherlich wird es auch einen Schriftsteller geben, der über diesen Blödsinn ein dickes Buch schreibt. Endlich wird man von Bob Brook sprechen!
Bob verzieh Sandra, daß sie so etwas nicht begriff. Ihr deutsches Gemüt war darin etwas provinziell. In Deutschland, so dachte Bob, lebt jeder für sich allein. Wir Amerikaner aber sind, wenn es darauf ankommt, eine einzige große Familie. Das wollen wir jetzt mal beweisen!
Dann war Sandra eingeschlafen, und er war die ganze Nacht durchgefahren, freute sich, als der Morgenwind aufkam und alle Spuren verwehte. Die Ausläufer der Sheep-Ranges waren greifbar nahe, rötlichgraue Felsen, von der Erosion zu bizarren Gebilden gestaltet, zerklüftet, zerrissen und von der Sonne ausgeglüht wie Schlacke. Auf der Spezialkarte, die sich Bob im Waffenladen gekauft hatte, waren in diesem Gebiet keinerlei Wasserstellen eingezeichnet. Erst in der Gegend von Moapa, einer Kleinstadt mit Eisenbahnstation, gab es einige, aber das war genau die Gegend, in die Bob nicht
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