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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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dem Herrn Vergebung zu erfahren.«
    »Warum sollte Gott
gerade die Jungfer Maria für unsere Sünde strafen? Du hast vier gut geratene
Kinder.« Er sah ihr tief in die Augen. Sein Blick sog sich regelrecht an ihren
Pupillen fest.
    Er erinnerte sich
daran, wie er sich vor Jahren in die junge und schöne Catharina Bohne verliebt
hatte, die damals bereits mit dem Bäcker und Brauer Cordt Rampendahl
verheiratet gewesen war. Sie war seine erste heimliche Liebe und sollte doch
nur eine Schwärmerei bleiben. Denn bereits ein Jahr später, anno 1647, als er
bei dem für seine Heilkünste berühmten Scharfrichter Meister Bröcker in die
Lehre ging, um die Arznei zu erlernen, begegnete ihm dort dessen Tochter
Agnesa. Die herbe Agnesa besaß bei Weitem nicht so viel Liebreiz und auch nicht
solch feurige Augen wie Catharina, aber sie war ihm bis heute eine gute Frau
gewesen und hatte verstanden, seine Liebe zu wecken. Zudem hatte sie eine
reichliche Mitgift von dreihundert Talern in die Ehe gebracht, was es ihm
ermöglicht hatte, vom Landesherrn ein stattliches Haus zu erwerben. Da er als
junger Meister mit eigener Haushaltung einer Hausfrau bedurfte, heiratete er
sie und schlug sich Catharina aus dem Kopf.
    Erst als sich deren
Mann für einige Monde in Speyer auf Wanderschaft befand, flammte die alte
Leidenschaft wieder auf. Als sie den Knechten die Mittagsmahlzeit in die Wiesen
vor den Stadttoren brachte, wo Schwiegervater Ludeke das Getreide einfuhr,
passierte es. Meister David sah, wie sie sich beim Baden in der Weser das lange
Haar wusch. Die sanften, verführerischen Rundungen ihres weißen Körpers
schimmerten durch das Hemd hindurch. In diesem Augenblick musste ihn der Teufel
geritten haben, denn er stieg vom Pferd und riss sie in seine Arme. Catharina
war ausgehungert gewesen, war sie doch seit Wochen ohne Mann. Sie wehrte sich
nicht und ließ ihn in dem nahen Wäldchen aufspringen wie einen Hengst.
    Danach hatte er
viele Monde im Ungewissen gelebt, ob es Catharinas Mann Cordt wohl erfahren
würde. Zudem hätte das Berühren der Barbierstochter, wäre es denn bekannt
geworden, seine und ihre Ehre beschmutzt, immerhin war er der Scharfrichter.
Doch die Jahre und sein blutiges Handwerk hatten ihn die Sünde bis zu dem Augenblick
vergessen lassen, in dem Catharina ihn daran erinnerte.
    »Du solltest unser
kleines Geheimnis in dir auslöschen oder es tief in dir vergraben«, riet er
ihr, während er an ihr vorbeisah. In seiner Stimme schwang unmissverständlich
eine Drohung mit. »Dein Ehemann Cordt ist ein ehrbarer Mann, und ich bin mit
meiner geliebten Ehefrau Agnesa vor Gott den Bund der Ehe eingegangen. Halte
dir immer vor Augen: Wenn ich dir eines Tages unser Geheimnis auf der Folter
entreißen müsste, wäre dies dein und deiner Familie Verderben.«
    Ein letztes Mal
umfing sein Blick die ausladenden Hüften und den üppigen, fleischigen Busen,
der unter den Perlenschnüren des Miedereinsatzes erregt auf und nieder wogte.
Sie war ein vollblütiges Weib, das zu einem Kerl wie Cordt Rampendahl gehörte,
das hatte er längst begriffen, aber um ihre Tochter Maria zu schützen, musste
er sie demütigen. Entschlossen nahm er ihr die Zügel aus der Hand und wendete
das Pferd.
    »Und warum hast du
meine Tochter gerettet?«, rief Catharina verblüfft hinter ihm her.
    »Gerettet?« David
lachte dröhnend, während der Friese in den Galopp fiel. »Bei meiner Ehre, das
ist nicht meine Art. Ich verbrenne Hexen und rette sie nicht!«
    Über den mächtigen
Hals seines Pferdes gebeugt, entschwand er ihren Blicken. Die auf den Steinen
klappernden Hufe hallten noch lange nach.

Jungfer Maria
    Item so jemand … jemands zu bezaubern
bedrohet und dem bedroheten dergleichen beschicht, … das gibt eyn redlich anzeygung der zauberey, und gnugsam ursach zu peinlicher
frage.
    (Carolina, § 44, Von zauberey gnugsam anzeygung)
    Inzwischen waren
elf Jahre ins Land gegangen, und das Mädchen Maria war zu einem jungen Weib
erblüht. Die unbekümmerte Jugend hatte sie damit verbracht, bei der Mutter das
Hauswesen zu erlernen, sodass sie nun mit ihr gemeinsam die Küche und den
Keller verwaltete. Catharina war eine gestrenge Lehrmeisterin gewesen, aber mit
viel Geduld hatte sie Maria auf die bedeutungsvolle Aufgabe vorbereitet, einmal
die Vorsteherin eines eigenen Hauses zu sein. Maria hatte unter anderem
gelernt, die Rohstoffe für Nahrung und Kleidung eigenhändig herzustellen und
weiterzuverarbeiten. Wie gut oder schlecht sie sich darauf

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