Der Henker von Lemgo
verstand, würde für
das Auskommen und den Wohlstand ihrer späteren Familie von ausschlaggebender
Bedeutung sein. Mit einer schlechten Ehefrau an der Seite würde ein Ehemann
niemals auf einen grünen Zweig kommen, egal, wie tüchtig er auch sein mochte.
Zudem kostete ihn eine schlechte Wirtschaftsführung das Ansehen und verringerte
seine Chancen auf ein öffentliches Ehrenamt.
So verstand sich
Maria nicht nur auf das Schlachten und Ausweiden von Federvieh, auf die Butter-
und Käseherstellung, das Spinnen und Nähen von Kleidern, sondern kannte sich
auch im Wechseln von Geldmünzen aus und beaufsichtigte selbstbewusst und
energisch das Gesinde, während sie sich zudem um den Garten und das Vieh
kümmerte. Ganz ohne Catharinas Einfluss entwickelte sie eine Vorliebe für
Kräuter und chirurgische Heilmethoden, die ihr in der Barbierstube ihres
Bruders Caspar zugutekam, wo sie, wenn sie nicht gerade dem Vater und der
Mutter beim Bierausschank zur Hand ging, in den Abendstunden aushalf.
Neben dem Vorzug,
eine selbstbewusste und tüchtige Hausfrau zu sein, war Maria vor allem aber
eine begehrte Schönheit mit leidenschaftlich funkelnden Augen, blauer als ein
Amethyst, und mit langem, seidig wallendem, rotgoldenem Haar. Da sie aber zudem
auch wegen der reichen Mitgift eine gute Partie war, fanden sich unlängst im
Hause Rampendahl immer häufiger junge Burschen aus der Nachbarschaft mit
Heiratsabsichten ein. Es schien, als dächte niemand mehr an den Makel der
Zauberei, der ihr anhaftete. Stattdessen wetteiferten bei Zechgelagen die
Burschen um ihre Gunst, und so manch einer musste nach handgreiflichen
Streitigkeiten auf Rampendahls Diele eine erhebliche Brüchtenstrafe entrichten.
Aber so hervorragend Marias Heiratschancen auch standen und sosehr manche
Mutter sie sich auch zur Schwiegertochter wünschte, so schnell lebte auch das
unheilvolle Gerücht vergangener Tage wieder auf.
»Butter und
frisch gemolkene Milch! Kauft, gute Leute, kauft! Kauft Rampendahls Brot!« Es
war später Vormittag. Wie so häufig bot Maria auf dem Markt hinter ihrem
Holzkarren ihre Waren neben den Buden der Brauer und Bäckerzunft feil. Das
Pferd stand ausgespannt davor. Damit der temperamentvolle Braune nicht
fortlief, hatte sie ihm die Vorderbeine zusammengebunden und ein Fuder Heu vor
das Maul gelegt. Auf dem Wagenaufbau waren verschiedene Laibe Brot, selbst
gebackene Brezeln, Kringel und Kuchenstücke sowie etwas von ihrem gesponnenen
Leinen ausgebreitet. Wie alle tüchtigen Hausfrauen legte Maria die Spindel nie
aus der Hand. Während sie mit kräftiger Stimme die Knochenhauer-Maria hinter
ihrem Fleischwagen zu überschreien versuchte, betätigte sie mit dem Fuß eifrig
das Spinnrad.
Tagelanger Regen
hatte den Kies vom Platz gespült und die Steine gelockert. Nur wer Schuhe mit
hohen Absätzen trug, gelangte sauberen Fußes über den Marktplatz. Jetzt lockte
der allmählich aufklarende Himmel nicht nur die Bauern und die verschiedenen
Zünfte, geordnet nach Tischlern, Schmieden, Wagnern und Gerbern, sondern auch
Gaukler und fahrendes Volk auf den Marktplatz. Zwischen umherlaufenden
Schweinen, gackernden Hühnern und vor sich hin dösenden Kühen buhlten Dirnen um
ihre Freier, balancierten grazile Mädchen auf Seilen und klingelten die bunten
Schellen der Gaukler. Hie und da verweilten Kinder neugierig vor dem Backwerk,
und manche Hausfrau feilschte um das Pfund Butter und den Laib Brot, bevor sie
die Ware für ein paar Groschen endlich erstand.
»Finger weg!«,
schimpfte Maria und klopfte einem Bettler mit dem Buttermesser auf seine
schmutzigen Finger, während sie einer alten Frau ein Brot in den Korb legte.
»Hier, Nachbarin, lasst es Euch munden. Wie wäre es noch mit einer Kanne Milch für
die Brotsuppe?«
Die Frau lächelte
und entblößte ihren zahnlosen Kiefer. Unschlüssig überlegte sie.
Maria nutzte die
Gelegenheit, um ihr die mitgebrachte Kanne mit Milch zu füllen. »Das macht drei
Groschen, Mütterchen.« Auffordernd hielt sie der Alten die Hand hin, als sie
neben dem Braunen einen in schwarzen Brokat und weiße Spitze gekleideten Herrn
bemerkte. Hände in perlenbesetzten Seidenhandschuhen tätschelten interessiert
den edlen Hals des Pferdes. Maria ließ den Fremden einen Augenblick gewähren, bevor
sie die Unverfrorenheit, den Gaul ihren Waren vorzuziehen, schnippisch
kommentierte: »Der Hengst ist nicht zu verkaufen, hoher Herr.« Nebenbei zählte
sie der Alten die zu viel gezahlten Groschen auf die Hand
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