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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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Davids Wut hatte sich bereits wieder gelegt,
und anstelle des Ärgers über Catharinas hysterisches Auftreten trat nun
Gelassenheit. Es lohnte sich nicht, mit einem aufgeregten Weib zu streiten.
Rasch beeilte er sich, die Mädchen loszuwerden, und setzte sie auf dem Boden
ab.
    Seine Stimme wurde
weich. »Demütigt Euch nicht noch mehr vor mir, Catharina. Mit euren wirren
Worten redet Ihr Euch lediglich um Kopf und Kragen. Ich weiß, dass Ihr ein
ehrbares Weib seid und ein solches Anbieten nicht nötig habt.« Mit Schwung
sprang er aus dem Sattel, packte die verschüchterten Mädchen bei den Schultern
und schob sie ihr in die Arme.
    Aufatmend drückte
Catharina sie an ihre Brust. »Meine Töchter, meine Täubchen. Dem Herrgott sei
Dank!« Glücklich, die Kinder wieder in den Armen halten zu können, küsste sie
ihnen abwechselnd Augen und Scheitel und schickte Dankesgebete zum Himmel. Dann
richtete sie sich auf und hob das tränennasse Gesicht. David stand nur wenige
Fuß vor ihr. Seine Züge waren regungslos.
    »Ich danke Euch,
David, aber weshalb wolltet Ihr meine Kinder nach Detmold bringen?«
    »Das ist ein
unwahres Gerücht. Weshalb sollte ausgerechnet ich Euren Kindern das antun?«
    »Aber der ehrenwerte
Hans Koch und der Nachbar Jürgen Echtner, die mir auf dem Weg hierher
begegneten, schworen doch bei Gott, unserm Herrn, dass Ihr meine Töchter in die
Anstalt bringt.«
    »Die beiden sind
Hurensöhne. Ihre Absicht war es, Euch zu verunsichern, was ihnen anscheinend
ganz prächtig gelungen ist. Bestimmt lachen sie jetzt über Eure weibische
Einfalt.« Längst bereute er es, sich um die Mädchen gekümmert zu haben. Im Haus
des Richters floss das Bier mit Sicherheit bereits in Strömen, und er lungerte
hier auf dem Markt herum und debattierte mit einem hysterischen Weib.
    »Achtet demnächst
besser auf Eure Mädchen«, knurrte er, »dann müsst Ihr mir auch keine Vorwürfe
machen. Ohne mein Eingreifen hätten die Hurensöhne die Jungfer Maria
gesteinigt. Sie ist beklafft, und Ihr wisst, dass Ihr sie beschützen müsst,
wenn Ihr sie nicht eines Tages brennen sehen wollt.«
    David wollte endlich
zur Scharfrichterei. Ohne sich weiter um Catharinas Gejammer zu kümmern,
schwang er sich auf sein Pferd. Maria blickte verwirrt von David zur Mutter. In
ihrem hübschen Kopf purzelten die Gedanken durcheinander. Warum hatte die
Mutter in ihrer Furcht den Henker so vertraulich angeredet? So, wie sie sonst
nur mit dem Vater sprach? Doch Catharina schob sie und Margaretha hastig zum
Wagen und gebot ihnen einzusteigen. Als sie sich ihres Gehorsams vergewissert
hatte, lief sie noch einmal zurück zu David, der im Begriff war, seinen Friesen
mit den Sporen anzutreiben. Rasch griff sie ihm in die Zügel und stellte sich
ihm in den Weg.
    »Was willst du noch,
Weib?«, brummte er und hielt das ungeduldige Pferd mit kräftiger Hand zurück.
    Da ihre Kinder in
Sicherheit waren, wurde Catharina mutiger. Jetzt war sie wieder die Frau des
Cordt Rampendahl, die dem Fuhrknecht mit herrischer Stimme den Befehl erteilte,
die Kinder nach Hause zu bringen, während sie mit der freien Hand das gelöste
Haar verführerisch unter der Haube verstaute.
    »Warte, David«, bat
sie ihn mit lockender Stimme und weiblicher Schläue. »Sag mir nur noch eins:
Wer hat meine Tochter Maria als Hexe beklafft? Ist es wahr, was alle erzählen,
dass es meine Schwiegermutter war? Du bist der Mann, dem unter Folter jedes
Geheimnis preisgegeben wird. Sollte dein Herz noch ein wenig für mich schlagen,
dann verrat es mir, bei Gott. Ich schwöre dir, selbst der Teufel wird es nicht
aus meinem Mund erfahren.«
    Die Vertraulichkeit
in ihrem Ton hielt ihn zurück. Auf seinem Gesicht lag Erstaunen, doch in seinen
Augen loderte der Funken eines Feuers einer längst vergessenen Leidenschaft.
Catharina bemerkte es, da seine Stimme einen weichen Klang annahm und er sie
kaum wahrnehmbar dämpfte.
    »Ich bin nicht mehr
der junge David Claussen, Catharina. Ich bin der Henker von Lemgo. Bei meiner
Ehre, selbst der Teufel würde mir unter der Folter das Geheimnis nicht
entreißen. Ich kann und darf dir nicht sagen, wer Maria beklafft hat.«
    »Aber David, bei dem
Geheimnis unserer Liebe, hast du denn alles vergessen? Damals, als mein
geliebter Mann auf dem Weg nach Speyer war … Kannst du nicht verstehen, dass
ich seither mit der Furcht lebe, dass der Herr mich für diese Sünde mit einem
Hexenkind bestraft hat? Ich muss es wissen, um Maria besser schützen zu können
und vor

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