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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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eben
selbst tun.« Gespannt beobachtete er Cordt, der sich nachdenklich hinter den
Ohren kratzte.
    Die Worte aus dem
Mund des geistlichen Freundes verwirrten den Brauer. Sie stellten seine
Grundsätze auf den Kopf. »Wollt Ihr damit sagen, dass Gott es billigt, was die
hohen Herren da tun?«
    »Vielleicht ist
selbst Gott nicht unfehlbar.« Andreas bekreuzigte sich. Seine Miene blieb
ernst. Es war nicht zu erkennen, was hinter der hohen Stirn vor sich ging.
    In diesem Moment
erinnerte er Cordt an dessen Vetter, den Bürgermeister. Überhaupt empfand er es
als seltsam, dass ein Pfarrer, von dem jeder in der Stadt wusste, dass er mit
zwei hohen Kämmerern verwandt war, solch unchristliche Ansichten pflegte – dennoch
begrüßte er sie mit einem breiten Lächeln. Wer, wenn nicht sie, die Jungen,
vermochten den Machenschaften der Ratsherren schon Einhalt zu gebieten?
    Er öffnete den Mund,
um etwas zu entgegnen, als er von Catharina unterbrochen wurde. »Und wie
sollten wir uns Eurer Meinung nach ohne die Hilfe des Herrn behelfen? Ihr sagt
ja selbst, dass der Hohe Rat im Auftrage Gottes handelt.«
    Mit zwei Kannen Bier
unterm Arm stand sie in der Tür und hatte Andreas’ letzte Worte mit angehört.
Sie stellte die Krüge auf den Tisch, wischte sich die Hände an der Schürze ab
und setzte sich neben ihren Mann auf die Bank. Mit flinker Hand goss sie dem Pfarrer
Bier nach und lehnte sich dann vertraulich an Cordts breite Schulter. Dass sie
ihren kräftigen rotblonden Dechen noch genauso liebte wie damals, als sie noch
Catharina Bohne, die Tochter des reichen Magisters und Chirurgus Johann Bohne,
gewesen war, stand ihr in das schöne Gesicht geschrieben. Ihre runden Wangen
glühten, ihre grünen Augen blitzten. Höflich lüftete Andreas das Gesäß und
deutete mit einem leichten Kopfnicken seine Verehrung an.
    »Euer Ehemann weiß
eine aufstrebende Zunft hinter sich. Er ist zwar oftmals etwas ungestüm, aber
ein kluger Kopf. Die Zünfte vertrauen ihm und wollen ihn im Rat sehen. Dort
wäre er für uns eine große Hoffnung und könnte unsere Ziele erfolgreich
durchsetzen.«
    Mit großen Augen
folgte Catharina den Ausführungen des Predigers, bevor sie den Mund öffnete.
Cordt kannte ihre spitze Zunge, und mit ihren smaragdgrünen Augen, den vollen
roten Lippen, dem kunstvoll hochgesteckten dunkelbraunen Haar unter dem weißen
Spitzenhäubchen und dem mit Goldfäden durchwirkten Tuch, das über dem prallen
Busen leicht spannte, war sie für ihn eine immerwährende Verlockung, eine nie
versiegende Begierde. Fünf herrliche Kinder hatte diese Liebe bisher
hervorgebracht.
    »Aber wie soll Cordt
den Hexenjägern denn Einhalt gebieten? Schließlich haben wir doch alle
Ratsmitglieder gegen uns, und die Verurteilten sind stets rechtmäßig der
Zauberei überführt worden.« Schnell bekreuzigte sie sich. »Habt Ihr etwa keine
Furcht vor bösen Heimsuchungen?«
    »Natürlich habe ich
wie alle Leute in Lemgo vor Unholden und Hexen Furcht. Davor, dass sie meinem
Weibe und meinen Kindern etwas Böses antun oder dass sie mein Vieh verhexen.
Aber ich höre auf Gott, der mir tagtäglich versichert, dass unter uns Sünden
begangen werden, die nicht alle des Teufels Werk sind. Dass die Hexen bekämpft
werden müssen, das steht schon in der Bibel, nur sollten die Herren einen
Hexenprozess den Rechten gemäß behutsam führen, um dabei keinen Irrtümern zu
erliegen.«
    Ein Junge mit
blondem Haar, so hell wie reife Ähren, trat mit einer silbernen Platte in den
Händen durch die Tür. Er verbeugte sich und setzte das Tablett, auf dem frisch
gebackenes Brot dampfte, auf dem Tisch ab, um auf die Weisungen seines Meisters
zu warten.
    »Setz dich zu uns,
Peter, und iss etwas von dem Brot«, befahl ihm Cordt und brach sich mit den
Fingern einen Kanten ab.
    Der schmächtige
Junge senkte den Blick und ließ sich gehorsam ihm gegenüber nieder. Unschlüssig
knetete er die Bäckermütze zwischen seinen Fingern. Auf dem blassen, mit
Sommersprossen übersäten Kindergesicht lag deutlich der Ausdruck von Angst. Der
Junge kannte sein Schicksal, vertraute aber noch auf die Hilfe seines Herrn,
der mit vollen Backen brummte: »Das ist mein Bäckerjunge Peter. Er ist ein sehr
gelehriger Schüler und ganz bestimmt kein Hexenkind.«
    Catharina strich dem
Jungen beruhigend die blonden Locken aus der Stirn. Ihr schönes Gesicht überzog
eine leichte Röte, als sie ihrem Mann beipflichtete. »Peter ist ein guter
Junge. Ich hoffe, dass Gott ihm beisteht, wenn sie

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