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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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kniete nieder und zerstampfte einige Kräuter. »Das ist Symphyti radix «, erklärte der Mann, »es lindert Entzündungen und verhindert die Eiterbildung.«
    »Sind Sie Arzt?«, fragte Jean-Baptiste.
    Der Hüne schwieg und schien sich auf die Säuberung der Wunde zu konzentrieren.
    »Ja, er ist Arzt«, sagte die junge Frau nach einer Weile, »er ist ein guter Arzt.« Sie legte erneut Kräuter in den Mörser und zerstampfte sie mit geübter Hand. Dann mischtesie die Paste mit Wasser und gab die Mixtur Jean-Baptiste zu trinken. Es schmeckte fürchterlich, aber er liess es geschehen.
    »Dieses Kraut wird dir helfen«, flüsterte der Hüne, » Rauwolfia serpentina nimmt dir die Furcht. Sie beruhigt deinen Körper und deine Sinne. Du wirst keinen Schmerz mehr verspüren und schlafen.«
    »Ich habe keine Furcht, ich habe in der Neuen Welt gekämpft. Ich habe viel gesehen.«
    Der Hüne schien nicht beeindruckt. »Wenn du morgen aufwachst und dich in der Scheune umsiehst, wirst du vielleicht Furcht empfinden. Noch hast du nicht alles gesehen, was das Schicksal dir bescheren wird.«
    Jean-Baptiste wollte sich aufbäumen, aufstehen, vielleicht sollte er besser diesen Ort verlassen, dachte er, doch die Kraft war aus seinem Körper gewichen, und er blieb regungslos liegen. Seine Gedanken verloren sich in einem finsteren Gefühl. Er spürte noch die aufkommende Angst, dann schlief er ein.
    Draussen wurde es allmählich Tag. Ein neuer Tag. Die ersten Sonnenstrahlen schienen durch die grosse Öffnung im Dachboden. Jean-Baptiste Sanson war aufgewacht. Er erhob sich langsam und musterte seine Umgebung. Er hatte neben der letzten Pferdebox geschlafen. Es gab insgesamt vier Boxen. Darin standen Pferde und warteten ungeduldig, dass man sie auf die Weide liess. Neugierig und ungeduldig stiessen sie ihre Köpfe gegen die Boxentüren. Er musterte sie, er mochte Pferde. Aber als Kavalleriepferde hätten sie kaum getaugt. Sie waren ausgemustert und dienten wohlnur noch zum Ziehen des Fuhrwerks, das im Hof stand. Er schaute sich in der Scheune um. Sie war sehr geräumig. An einer Holzwand hing Pferdegeschirr. An Haken waren eiserne Gegenstände aufgehängt: Feuerzangen, Fuss- und Handfesseln, Brechstangen, am Boden Weidenkörbe voller Lederriemen, ein Rost, mittelgrosse Holzfässer, in denen Fette, Salben, Puder, Kohle, Schmiere, Seife, Kleie, Sand und Sägespäne aufbewahrt wurden, und ein riesengrosses Rad. In der Ecke stand ein Tisch, unter dessen Decke etwas lag. Er zog an einem Zipfel der Decke. Bläulich gefärbte Finger kamen zum Vorschein. Er riss das Tuch weg und sah einen Arm, Unter- und Oberarm bis zum Schultergelenk. Der Ellbogen war gehäutet worden, so dass man die freigelegten Knochen, Sehnen und Gelenke sehen konnte.
    Er wurde von einer entsetzlichen Angst gepackt. Erneut dachte er an den Fluch. Er musste diesen Schuppen verlassen. Mochte sein, dass sein Leben verflucht war, aber dieser Ort war es ganz bestimmt ebenso. Kaum hatte er sich entschlossen zu fliehen, geriet er in Panik und fürchtete, in letzter Minute aufgehalten zu werden. Eilig schritt er zum Scheunentor. Draussen auf dem Hof erschallte Hufgetrampel. Es mussten mindestens ein halbes Dutzend Reiter sein. Als er einen Torflügel einen Spaltbreit öffnete, sah er, dass die Reiter leichtbewaffnete Dragoner waren. Sie trugen Musketen und weisse Uniformröcke. An den Farben der Kragen, Ärmelaufschläge und Rabatten erkannte man ihre Zugehörigkeit zum Regiment des Marquis de La Boissière. Die Tür des gegenüberliegenden Wohnhauses öffnete sich, und der Hüne trat in den Hof hinaus.
    »Braucht ihr Wasser für eure Pferde?«
    »Wir suchen einen Deserteur. Hast du einen gesehen, der sich rumtreibt?«
    »Niemand verirrt sich hierher. Und freiwillig sucht niemand dieses Gehöft auf.«
    Der Anführer riss die Zügel herum. Er hatte es eilig. Dann drehte er sich noch mal um. »Wir reiten weiter nach Paris. Auf dem Rückweg werden wir dich nochmals besuchen. Sei also wachsam.«
    Der Dragoner gab seinem Pferd die Sporen. Er preschte über den Hof. Die anderen folgten ihm. Sie ritten Richtung Wald.
    Jean-Baptiste hatte den Atem angehalten. Als die Dragoner weg waren, öffnete er das Scheunentor ganz. Doch der Hüne versperrte ihm den Weg. Sein mächtiger Oberkörper verdeckte die Sonne und verfinsterte das Innere der Scheune. »Tu es nicht«, sagte er, »nur hier bist du sicher. Du solltest den Winter über hierbleiben. Du kannst mir helfen, das Dach zu

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