Der Herr der Habichts - Insel
Haferbrei in einem großen Eisentopf, der an einer Kette über dem Herdfeuer hing. Die Männer gürteten ihre Waffen, denn sie brachen auf, um auf dem Festland zu jagen. Rorik saß in seinem geschnitzten Stuhl und polierte sein Schwert.
Mirana hörte ein fröhliches Frauenlachen und wirbelte freudig erregt herum. Doch es war nicht Asta, die da lachte. Mirana drängte die Tränen zurück, die ihr in die Augen stiegen. Sie blickte sich suchend um. Wo war nur Gurd? Bei ihrer Rückkehr gestern hatte sie ihn nur kurz gesehen.
Kerzog legte leise brummend seinen schweren Kopf auf Miranas Schoß.
»Du hast mir gefehlt, großer Hund«, sagte Mirana. »Du Freude meines Lebens.«
»Die Freude deines Lebens bin ja wohl ich«, sagte Rorik und kam zu ihr. »Ich bin deine erste und letzte Freude.«
»Ihr Männer«, sagte Entti. »Ihr könnt an nichts anderes denken als an euren Schwanz und euer Vergnügen.«
»Hat Mirana dir nichts erzählt, Entti?«
»Was erzählt, Herr Rorik?«
»Daß sie mich benutzt. Sie melkt mich wie eine Kuh, bis sie ihre Lust gestillt hat. Meine Lust bedeutet ihr nichts. Es ist wahr. Sag ihr, daß es wahr ist, Mirana.«
»Erst wenn ihr alle aus dem Haus seid, erzähle ich Entti die Wahrheit.«
Entti hatte sich längst wieder ihrem Hafter zugewandt. Kopfschüttelnd meinte sie nun: »Ich kann immer noch nicht glauben, daß Sira Königin geworden ist. Man hätte sie einsperren sollen, Mirana. Sira, eine Königin! Sie verdient jeden Tag eine Tracht Prügel. Wenigstens hätte man ihr den Kopf rasieren müssen, das hätte mir gefallen.«
»Ich kenne Hormuze zwar nur flüchtig«, sagte Mirana, »glaube aber, daß er seine Sache gut macht. Er ist ein Mann mit strengen Prinzipien und hat genaue Vorstellungen davon, was eine Frau tun und sagen soll. Sira hat ihr schönes Silberhaar eingebüßt. Es wurde dunkelbraun gefärbt. Hormuze wird also nicht durch ihre Schönheit von seinen Erziehungsmaßnahmen abgelenkt.«
Rorik lachte. »Und dann gibt es noch die kleine Eze, die für ihre elf Jahre ausgesprochen klug und weise ist, ähnlich wie unsere Utta. Sie wird ihrem Vater helfen, aus Sira eine kluge und vernünftige Frau zu machen.«
»Ob wir je etwas über ihr Schicksal erfahren werden?« fragte Mirana und kraulte den Hund.
»Im Winter, denke ich«, sagte Rorik. »Hormuze hatte wohl recht. Über diese Geschichte werden die Skalden noch viele Lieder singen.«
Mirana sagte: »Es ist schon eigenartig, daß auf dem Thron von Irland kein Wikinger sitzt, sondern ein Mann aus einem fernen Land, dessen Name mir entfallen ist.«
Die Alte Alna schlurfte heran und sagte: »Meine schöne kleine Sira muß jetzt häßliches Haar tragen. Das wird ihr gar nicht gefallen. Sie wird den Mann mit Fäusten bearbeiten und ihn anschreien, auch wenn er König ist.«
»Sie wird es versuchen«, meinte Rorik, »aber wenig Erfolg damit haben.«
»Du hast Mirana zurückgebracht«, sagte Amma und berührte Roriks Arm. »Sie hat uns gefehlt, Herr.«
»Mir hat sie auch gefehlt, und Kerzog. Hafter, laß deine Frau zufrieden. Wir gehen zur Jagd.«
Und lachend stapften die Männer aus dem Haus.
Mirana kraulte Kerzog und erfuhr von den Frauen, daß das Getreide gut stand, denn die Sommersonne hatte es gut gemeint. Die Sklaven hatten glänzende Eisenpfannen gehämmert, auf die sie schlugen, um die Vögel zu verscheuchen. Die Frauen hatten Fische gesalzen und eingelegt, gewebt und Stoffe gefärbt. Zahllose Fladenbrote waren auf der heißen Glut gebacken worden. Und alle hatten sie Mirana vermißt, denn sie gehörte zur Habichtsinsel und zu ihnen.
Mirana blickte zu Erna, die untätig vor dem Webstuhl saß. Der ertrunkene Krieger war Raki, ihr Ehemann, gewesen. Sie hatten seine Leiche nicht gefunden. Alle Bewohner trauerten um den rechtschaffenen Raki. Erna hatte die Nachricht von seinem Tod gefaßt und mit bleichem Gesicht aufgenommen. Ihr verkümmerter Arm hing hilflos an ihrer Seite, und ihre Augen waren trübe vor Schmerz. Sie hatte nicht vor den anderen und auch nicht vor ihren Söhnen geweint. Die beiden Halbwüchsigen nahmen die traurige Nachricht ebenso gefaßt und würdig entgegen wie ihre Mutter. Stumm hörten sie Herrn Roriks Worte, als er sagte, daß Raki durch niemand zu ersetzen sei und der tapferste seiner Krieger war, ein Mann von großer Tatkraft und Kriegslist. Und seine beiden Söhne würden seine Nachfolge antreten. Ihr Vater könne stolz auf sie sein. Erna dankte Rorik für seine Worte. Dann bemerkte sie, daß
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